Mit einem musikalischen Flashmob am Schrangenplatz überraschten Sänger und Musiker des Stadttheaters die Passanten.

Lüneburg. Es ist Sonnabend, kurz vor 14 Uhr. Der Schrangenplatz ist voll gut gelaunter Menschen, die Außentische der Restaurants und Straßencafes bis auf den letzten Platz besetzt. Fußgänger bahnen sich plaudernd ihren Weg durch die kleinen Straßen an dem einladenden Platz vorbei. Das Leben pulsiert. Eine Geigerin spielt einige Takte aus einem klassischen Stück. Es könnte Beethoven sein. Ihr Hut, in dem ein Dutzend Münzen glänzen, liegt auf dem Straßenpflaster. Da erhebt sich eine junge Frau mit langem blondem Haar. Sie steigt auf eine kleine Mauer und beginnt laut und entschieden zu singen.

Sie singt die erste Strophe der "Ode an die Freude" aus Beethovens neunter Symphonie: "Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium, wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum!" Erste irritierte Blicke an den Tischen. Ein zweiter Sänger in dunklem Trenchcoat und Hut stimmt ein: "Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt, alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt." Nach und nach erheben sich weitere Mitsinger von ihren Plätzen. Bald sind es viele. Die Fenster im Haus über der Sushi-Bar öffnen sich. Blechbläser stimmen ein. Zuhörer und Zuschauer sind nicht mehr von Sängern und Musikern zu unterscheiden. Kaum einer, der weiter in seinem Essen stochert oder im Eisbecher löffelt. Dagegen viele glückliche Gesichter. Menschen, die es nicht länger auf ihren Sitzen hält, die lachen und mitsingen, die Arme in die Höhe reißen.

Nach wenigen, höchstens fünf Minuten, ist alles vorbei - der letzte Silbe gesungen, der letzte Ton verklungen. Doch die Ergriffenheit, das Erlebnis des ungeplanten Miteinanders, wirkt weiter. Zurück bleiben Menschen, die lachen und klatschen, sich umarmen und überlaufen vor Glücksgefühlen. Die Botschaft "Alle Menschen werden Brüder", mögen vielleicht nicht alle verstanden haben, aber doch intuitiv gespürt.

War das Theater oder ein Flashmob oder beides? Jedenfalls auch ein musikalischer Flashmob, der wie der Blitz einschlug, die Menge aufwühlte und sie verändert zurückließ. Ein Flashmob, wie ihn Lüneburg bis dato noch nicht erlebt hat. Dabei waren Schauspieler, Chorsänger und Tänzern, Opernsolisten, Orchestermusiker und Mitarbeiter aus der Requisite. "Ich schätze etwa 60 Männer und Frauen sind gekommen", sagt die Schauspielerin Sigrid Meßner. Gemeinsam mit dem Kollegen Gregor Müller hat sie das Spektakel auf den Weg gebracht. Ja, ein wenig Probe musste sein. Schon deshalb, um eine Dramatik zu entwickeln, die das Publikum mitreißt.

"Es hat mit einem Sänger angefangen, dann kamen mehr und mehr dazu. Die anfängliche Solobegleitung der Geige wurde schließlich durch weitere Instrumente unterstützt", beschreibt die Schauspielerin as Konzept.

Hinter dem Theater steht eine Botschaft. Einmal die der Ode, in der der Dichter Friedrich Schiller das klassische Ideal einer Gesellschaft gleichberechtigter Menschen beschreibt, die durch das Band der Freude und der Freundschaft verbunden sind. Und dann die Botschaft zum Beginn der neuen Spielzeit, dass in Lüneburg kreatives, unkonventionelles und engagiertes Theater gemacht wird.

Die zufällig involvierten Menschen am Platz waren begeistert. "Bitte, macht das jetzt jeden Sonnabend, es hat so viel Spaß gemacht", lauten spontane Forderungen. "Das war wunderbar und hat mich emotional sehr ergriffen", sagt Regina Träger-Bergmann aus Vögelsen. "Es war toll, ich war total überrascht", gesteht Anna-Margarete Neutze aus Staufenberg. Und Heiko Dörbaum, SPD-Politiker im Kreistag Lüneburg, bekennt: "Das hat mir sehr gefallen. Die Idee des Theaters in die Öffentlichkeit zu gehen, war genial."

Weitere Bilder vom musikalischen Flashmob des Theaters www.theater-lueneburg.de