Die Sanierung des Gebäudekomplexes Waagestraße ist beendet. Zahlreiche weitere Restaurierungen laufen aber derzeit noch.

Lüneburg. Ein Wahrzeichen der Stadt hat sein Gesicht verändert. Das sogenannte "Schwangere Haus" an der Waagestraße trägt jetzt Netzstreifen - sozusagen. Nach der umfangreichen Fassadensanierung hat der Eigentümer die Fugen zwischen den Backsteinen mit heller Farbe auf rostrotem Anstrich nachmalen lassen. Diese Sanierung ist kein Einzelfall: Derzeit laufen allein acht private Projekte zwischen Markt und Sand..

Sichtbar sind die Arbeiten an den zahlreichen Gerüsten vor den Häusern. Was genau an welchem Gebäude restauriert wird, hat die Rundschau bei der Abteilung Denkmalpflege der Stadtverwaltung nachgefragt.

Am prägnantesten ins Auge fällt die Restaurierung der Fassade des Gebäudekomplexes "Schwangeres Haus" sowie des Eckhauses An der Münze/ Waagestraße. Zwar war das Fugennetz bereits 1976 nachgemalt worden, doch in den vergangenen Jahren so verblasst, dass die Linien fürs Auge nicht mehr wahrzunehmen waren. 2009 hatte es dort den ersten Bauabschnitt gegeben, jetzt ist der zweite beendet. Jetzt wirkt die Fassade des bauchigen Hauses völlig anders als vorher.

"Der alte Anstrich der Fassade wurde entfernt, das Mauerwerk saniert und ein neuer Anstrich wieder aufgebracht", so Denkmalpflegerin Cornelia Abheiden. Dabei wurden nicht nur die Fugen als deutlicher Kontrast zum Untergrund gemalt. Beim Eckhaus wurden auch zahlreiche Bauspuren wie etwa Balken entdeckt und freigelegt: "Diese bleiben für den Betrachter weiter sichtbar und kennzeichnen die interessante Baugeschichte des Hauses."

Im 14./15. Jahrhundert erstellt, gehörte der Gebäudekomplex ab 1480 dem Patrizier Hermen von Bardowick, nachzulesen in der Denkmaltopographie "Baudenkmale in Niedersachsen. Hansestadt Lüneburg" von Doris Böker. Dass das Haus vermutlich aus der Zeit vor dem 15. Jahrhundert stammt, darauf deuten die kleinen, noch heute sichtbaren Spitzbogenfenster an der Nordseite zur Waagestraße hin. "Schwanger" ist das Haus an der Waagestraße übrigens, weil der zu Mörtel gebrannte Gips des Kalkbergs Feuchtigkeit aufnimmt und sich dann ausdehnt.

Umfangreich saniert wird derzeit außerdem die Fassade des neugotischen Eckhauses Am Markt/Große Bäckerstraße mit der Adresse Am Markt 6. Zudem wird das Dach in Schiefer erneuert. 1895 von Stadtbaumeister Kampf entworfen, hatte sich bereits der Vorgängerbau ab 1763 in jüdischem Besitz gefunden. Das heutige Haus gehörte dem Kaufmann Arnold Jacobson und später seinem Sohn Henry, der darin das Kaufhaus "Gut und billig" führte - bis die Nazis es in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zerstörten. Arnold Jacobson war 1933 gestorben, Henry wurde in das KZ Oranienburg deportiert und emigrierte nach seiner Entlassung in die USA.

Neue Schaufenster werden in der Grapengießerstraße 47 beim Reisebüro und dem Modegeschäft eingebaut. "Die Fassade wurde in den 1960er-Jahren umgestaltet", sagte Cornelia Abheiden. "Auf Grundlage historischer Fotos und Befunde erfolgt ein Rückbau der Fassade, so wie diese im 19. Jahrhundert gestaltet war. Prägende Elemente in der Schaufenstergestaltung sind die noch vorhandenen gusseisernen Stützen, die freigelegt werden."

Schräg gegenüber erhält das Haus Nummer 9, ebenfalls mit einem Modegeschäft als Mieter, eine neue Dacheindeckung - und zwar mit Biberschwanzziegeln, so benannt, weil die Ziegel an den Ecken abgerundet sind und dem Schwanz des Bibers ähneln. Bei dem Dach handelt es sich um ein sogenanntes Berliner Dach, eine asymmetrische Form, die von der Straße aus wie ein Satteldach wirkt, tatsächlich jedoch ein Pultdach ist.

In der Roten Straße 5 bezuschusst der Arbeitskreis Lüneburger Altstadt (ALA) die Sanierung des sogenannten Schwanenerkers mit 10 000 Euro. 1872 im spätklassizistischen Stil entstanden, besitzt der Erker im Obergeschoss über dem Kinderschuhgeschäft ein Schwanenmotiv. Dass das Haus vermutlich im 16. Jahrhundert entstanden ist, darauf weist laut Doris Böker der Holzbalkenkeller hin.

In der Kleinen Bäckerstraße 13, Mieter sind ein Handy- sowie ein Modegeschäft, wird die Fassade aus dem Ende des 18. Jahrhunderts erneuert: Putzschäden werden saniert, anschließend erfolgt ein neuer Anstrich.

In der Heiligengeiststraße 39, beim Gasthaus, werden die Fenster neu lackiert. Einige Häuser weiter, bei Hausnummer 33, einem Inneneinrichtungsgeschäft, bekommen das Erd- sowie das Obergeschoss des Hauses sowie des Nachbargebäudes nach einer Putzsanierung ebenfalls einen neuen Fassadenanstrich. Außerdem lohnt ein Blick nach oben: Der fünfteilige Staffelgiebel aus dem Jahr 1867 ist umfangreich restauriert worden und bereits wieder gerüstlos zu bestaunen.

Weitere Fotos der Restaurationsarbeiten www.abendblatt.de/lueneburg