Wir sind weniger als gedacht: Der Landesbetrieb für Statistik “veredelt“ die Einwohnerzahlen für den kommunalen Finanzausgleich.

Lüneburg. Wir sind weniger als gedacht: Beim Vergleich der Einwohnerzahlen der Meldeämter mit denen des niedersächsischen Landesbetriebs für Statistik (LSKN) fällt auf, dass in den meisten Gemeinden und Städten im Landkreis weniger Menschen wohnen als der LSKN annimmt. Dadurch erhält der Kreis mehr Geld vom Land. Das ist in einigen Fällen sogar gewollt.

Am auffälligsten ist der Unterschied bei der Hansestadt selbst: Hier wohnen knapp 1400 Menschen weniger als in der Statistik verzeichnet sind. 71 608 ist die offizielle Einwohnerzahl, der LSKN geht von 73 005 aus. Auf Platz zwei im Kreis ist die Samtgemeinde Dahlenburg. 162 Einwohner weniger als der LSKN zählt, gibt es hier.

Uwe Heidmüller arbeitet im Bereich Statistik beim Landesbetrieb und weiß, wie die Diskrepanzen zustande kommen: "Unsere Grundlage ist die Volkszählung von 1987. Vierteljährlich gleichen wir mit den Meldeämtern die Bewegungen ab." Zu- und Fortzüge, Geburten und Todesfälle werden an den LSKN weitergeleitet, der diese Zahlen in die Statistik einpflegt. "Es gibt immer wieder Übertragungsfehler." Ab 2013 werde jedoch die neue Volkszählung die Grundlage des Amtes sein.

Drei Viertel der Bögen für den Zensus sind bereits an die Stadt zurückgegangen. Ende August sollen alle Bögen wieder bei der Erhebungsstelle eingetroffen sein. "Bis 30. April 2012 können wir Bögen jedoch nachreichen, die wir beispielsweise durch Einspruch nicht wieder erhalten haben", sagt Jürgen Popp, Leiter der Erhebungsstelle Zensus. Im Vergleich zur letzten Volkszählung, die 1984 begann, hätten sich in diesem Jahr nur wenige Bürger geweigert. "Unter ein Prozent der Lüneburger hat die Auskunft verweigert", sagt Jürgen Popp.

Von einigen der 185 ehrenamtlichen Erhebungsbeauftragten sind die Mitarbeiter der Erhebungsstelle allerdings enttäuscht worden: Sie haben mit Bürgern vereinbarte Termine nicht eingehalten. "Es sind die verschiedensten Dinge passiert. Es kann natürlich sein, dass man krank wird, manche sind allerdings ohne Grund nicht zu den Terminen erschienen", so Popp. Einige Erhebungsbeauftragte seien ausgetauscht worden.

Die Auskünfte aus den Stadtteilen seien jedoch relativ homogen. "Man kann nicht sagen, dass die Einwohner eines bestimmten Stadtteils auskunftsfreudiger sind als in einem anderen", so der Leiter der Erhebungsstelle.

Für den kommunalen Finanzausgleich greift das Niedersächsische Innenministerium auf die Daten des Landesbetriebs für Statistik zurück. Neben der Einwohnerzahl werden beispielsweise ein Demografiefaktor oder die Sozialhilfelasten in die Rechnung einbezogen. Laut Stadtsprecherin Suzanne Moenck ist es sogar gewollt, dass Studentenstädte wie Lüneburg mehr Geld erhalten. "Die Zahlen des LSKN sind veredelt. Das heißt, ab einer bestimmten Größe erhält eine Stadt einige fiktive Einwohner mehr, damit sie die nötige Infrastruktur bereithalten kann" so Moenck. Lebten in einer Stadt Studenten oder seien dort Soldaten stationiert, erhalte die Verwaltung mehr Geld. Mehr Personen, als tatsächlich in den Melderegistern auftauchen, nutzen in größeren Städten die Infrastruktur.

Welche Auswirkungen der Zensus auf die tatsächlichen und die veredelten Einwohnerzahlen hat, kann Suzanne Moenck noch nicht sagen. "Ende 2012 sehen wir dann, ob die Zahlen des LSKN nach oben oder unten korrigiert werden", sagt sie.

Für den Ersten Kreisrat Jürgen Krumböhmer sind die Abweichungen keine Überraschung. "Die Differenz ist uns bekannt", sagt er. Bei eigenen Projekten greife der Kreis auf die Zahlen der Meldeämter zurück. "Die sind aus unserer Sicht genauer", sagt Kreissprecher Harald Fichtner.

Doch es gibt nicht nur Abweichungen nach unten: In der Gemeinde Scharnebeck wohnen laut Meldeamt 173 Menschen mehr als die Statistiker annehmen. In der Gemeinde Gellersen beträgt das Plus 131 Einwohner.

"Diese Diskrepanz zu unseren Lasten ist uns schon vor Jahren aufgefallen, wir beobachten das", sagt Samtgemeindebürgermeister Josef Röttgers. Für ihn sei der Unterschied zu Ungunsten der Samtgemeinde gerade wegen der Schlüsselzuweisungen des Kommunalen Finanzausgleichs ärgerlich. "Wir müssen unsere Infrastruktur erhalten und zahlen drauf", sagt er. Für Projekte wie den Ausbau der Krippen oder Kindergärten werde darum die Zahl der Einwohnermeldeämter genutzt.

Die Einwohnermeldeämter kennen eine Ursache für kleinere Statistikabweichungen: "Wenn Menschen auswandern und sich nicht abmelden, bleiben sie in den Melderegistern", sagt Jürgen Sprung vom Bereich Ordnung und Soziales der Samtgemeinde Amelinghausen. Das falle nur auf, wenn die Post immer wieder zurück zur Samtgemeinde komme. Dann forscht Jürgen Sprung nach. Bei Umzügen innerhalb Deutschlands sei das anders. "Sobald man sich in einer Stadt oder Gemeinde anmeldet, erhalten wir automatisch den Auftrag zur Abmeldung", sagt Sprung.