Bürgermeister Dieter Hublitz befürchtet “Ausblutung des gesamten Oberamts“

Tripkau. Dieter Hublitz, Bürgermeister von Amt Neuhaus, ist stinksauer. Weil für das kommende Schuljahr nur 25 Kinder angemeldet sind, wird die Grundschule in Tripkau höchstwahrscheinlich geschlossen werden - die vom Land Niedersachsen festgelegte Mindestanzahl beträgt 27 Kinder. Was ihn an der ganzen Angelegenheit am meisten erbost: Es gäbe seiner Meinung nach zwei Möglichkeiten, wie die Tripkauer Grundschule gerettet werden könnte. Doch Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) und die niedersächsische Landesschulbehörde hätten alle Vorschläge abgeblockt. Hublitz befürchtet im Falle einer Schließung der Schule "dramatische Folgen für die gesamte Gemeinde".

Wird die Schule geschlossen, müssen die Kinder ins zwanzig Kilometer entfernte Amt Neuhaus fahren. "Das dauert mit dem Bus eineinviertel Stunden, im Winter bei Eisgang oder Hochwasser sogar zweieinhalb Stunden. Und zwar morgens und mittags noch mal", beschwert sich Enrico Langner, Vater zweier Kinder an der Tripkauer Grundschule. Das sei unzumutbar, findet er. Deutlich näher liege die Grundschule von Dömitz: Die Busfahrt dauert zwanzig Minuten. Dömitz liege aber nicht nur in einem anderen Landkreis - Ludwigslust - sondern sogar in einem anderen Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern. "Damit die Kinder die Schule in Dömitz besuchen können, muss mindestens ein Elternteil dort gemeldet sein", erklärt Langner. "Das würden wir Eltern aber geschlossen tun." Eigentlich jeder habe schließlich Freunde oder Verwandte im Landkreis Ludwigslust, bei denen man ein Zimmer mieten könne. "Und das reicht ja."

Letztere Variante treibt Bürgermeister Hublitz die Schweißperlen auf die Stirn. "Wenn 15 Erwachsene und 15 Kinder nicht mehr hier gemeldet sind, gehen uns pro Person knapp 1400 Euro Kopfpauschale verloren, das macht im Jahr 72 000 Euro", sagt er. Dazu kämen Gemeindeanteile an Einkommens- und Umsatzsteuer. Außerdem seien bei einer Abwanderung der Grundschulkinder auch der Umbau der Haupt- und Realschule in eine Oberschule sowie der Hort mitsamt seinen Arbeitsplätzen (Erzieherinnen, Raumpflegerinnen) in Gefahr. Die Folgen seien unabsehbar: "Das Gemeinwohl funktioniert nicht mehr, das gesamte Oberamt würde ausbluten", glaubt der Bürgermeister. "Das Risiko nimmt man in Hannover in Kauf. Das gefällt mir überhaupt nicht."

Kultusminister Bernd Althusmann habe sich insgesamt nicht sehr kooperativ gezeigt. Sein Vorschlag: gemeinsamer Unterricht für die Schüler aller vier Klassen. Schon jetzt gibt es in Tripkau Kombi-Unterricht: Die erste und zweite sowie die dritte und vierte Klasse werden von zwei Lehrern und einer pädagogischen Hilfskraft (fünf Wochenstunden) gemeinsam unterrichtet. Besuchen aber alle 25 Kinder eine Klasse, würde von der niedersächsischen Landesschulbehörde nur noch eine Lehrkraft genehmigt. "Zu wenig" findet Vater Enrico Langner, "die Aufsichtspflicht ist da nicht gewährleistet. Was ist, wenn die Lehrerin mal zur Toilette muss? Was ist mit Pausenaufsicht?"

Auch der Bürgermeister hält diese Lösung für nicht praktikabel. "Wenn der Lehrerin auf dem Schulweg was passiert, stehen die Kinder vor der geschlossenen Schule", sagt er. Der Gemeinderat habe deshalb einstimmig beschlossen, einen zweiten Lehrer aus eigener Tasche zu bezahlen. Hublitz: "Die Landesschulbehörde hat das aber nicht erlaubt." Gegenüber der Rundschau verwies Behörden-Sprecherin Susanne Strätz auf "Richtlinien, die befolgt werden müssen". Schließlich sei Tripkau nicht die einzige kleine Gemeinde.

Eine andere Lösung: Der Kultusminister erteilt eine Sondergenehmigung, aufgrund derer in Tripkau die erforderliche Mindestschüleranzahl auf 25 abgesenkt wird. "Das will Herr Althusmann nicht. Er sagt, wir hätten die Möglichkeit, die Schulbezirke zu verändern und so zwei weitere Kinder in unsere Schule zu holen." Keine gute Lösung angesichts der weiten Schulwege, findet Hublitz: "Das ist, glaube ich, Blödsinn." Schließlich könne man keinem Schulkind einen Schulweg von 46 Kilometern zumuten, "und so weit ist das hier nun mal." Eine Stellungnahme des Kultusministeriums lag der Rundschau bis Redaktionsschluss nicht vor.

Für die Eltern sei die Ungewissheit das Schlimmste, erklärt Enrico Langner. "Wir wissen ja noch nicht einmal, was für Schulbücher wir bestellen sollen", klagt er. "Für Dömitz? Für Neuhaus? Für Gemeinschaftsunterricht von ersten bis vierten Klassen?" Besonders hart sei die Situation für die Schulanfänger, die nicht wüssten, wo sie eingeschult werden. Langner fordert eine schnelle Entscheidung: "Die Zeit drängt, schließlich beginnen schon kommenden Donnerstag die Sommerferien." Und das ärgere ihn eigentlich am meisten. Denn schließlich wisse man ja nicht erst seit gestern, dass die Situation kritisch werden könnte.