Die Kinder der Schule Elfenwiese für Körperbehinderte genießen ganz besondere Sportstunden auf dem Rücken von Pferden

Harburg. Die braune Ponystute Lujza wird von den Kindern nur liebevoll "Lulu" genannt. Sie schreitet ruhig und zuverlässig über den weichen Hallenboden. Perfekt für Loris, denn dank der Gelassenheit des Ponys kann sich der Zehnjährige ganz auf seine Haltung und sein Gleichgewicht konzentrieren. Er sitzt ohne Sattel auf der Stute, nur auf einer dünnen Schaumstoffmatte, so spürt er jede Bewegung des Pferdes. Ein Voltigiergurt dient ihm zum Festhalten.

"Nimm mal die rechte Hand vom Griff und leg sie auf den Oberschenkel", sagt Bettina Casper, die zu Fuß nebenher geht. Die Ergotherapeutin der Schule Elfenwiese fordert den behinderten Jungen, aber das macht sie ganz behutsam. "Und schau geradeaus, durch die Ohren des Pferdes. Wir suchen kein Gold auf dem Fußboden." Während Bettina Casper Loris Hüften umfasst, nimmt der Junge schließlich beide Hände vom Gurt. Er streckt die Arme nach oben und lacht. "Prima", sagt Casper. "Du suchst dir deine Aufgaben schon selbst!"

Loris ist einer von zehn Schülern der Harburger Schule für Körperbehinderte, die jeden Freitag im Reitverein Meinshof-Appelbüttel an der Bremer Straße am "Schulsport Reiten" teilnehmen. Auch mittwochs darf noch eine Gruppe von sechs Kindern Pferde und Anlage nutzen. Finanziert wird das Ganze vom Schulverein und den Eltern. "Ein echter Glücksfall", sagt Manuela Franz.

Die Therapeutin freut sich vor allem über die Bereitschaft des Vereins, Pferde und Reithalle zur Verfügung zu stellen. Mit Privatpferd Lulu und dem vereinseigenen Hannoveraner-Wallach Samiro, der im Schulunterricht als Voltigierpferd eingesetzt wird, stehen dem Team zwei ausgesprochen geeignete Tiere zur Verfügung: "Die Pferde müssen gelassen sein, Vertrauen zum Menschen haben und sie dürfen nicht schreckhaft sein", erklärt Manuela Franz. "Natürlich müssen sie gesund sein und sollten einen raumgreifenden Schritt haben."

Die Bewegung des Pferdes beim Schritt tut auch Sebastian gut. Bei dem heute Zehnjährigen stagnierte die Entwicklung, als er etwa ein halbes Jahr alt war. "Die Ärzte haben eine rechtsseitige Gehirnschädigung festgestellt, die Ursache ist unbekannt", sagt seine Mutter Christina Gramkow. Damit sind vor allem seine motorischen Fähigkeiten beeinträchtigt. Sebastian sitzt die meiste Zeit im Rollstuhl. "Gehen, Stehen, das Gleichgewicht halten, all das muss er permanent üben. Bei unserem Training zu Hause läuft er mit meiner Hilfe schon ganz gut." Er mache Fortschritte, findet Christina Gramkow und beobachtet ihren Sohn, der gemeinsam mit Dagmar Meerwaldt auf Samiro sitzt. Die Ergotherapeutin hält Sebastian an den Schultern fest. Der Junge sitzt im Damensitz auf dem Pferd, weil ihm auch seine Hüftpfanne Probleme bereitet. Mit jeder Runde entspannt er sich ein bisschen mehr. Das ist wichtig, gerade für Kinder, die an einer Spastik leiden.

"Auch für uns ist das Handling mit den Kindern im Schulalltag einfacher, wenn ihre Muskulatur entspannter ist", sagt Manuela Franz. Sie ist eine von fünf pferdebegeisterten Therapeutinnen an der Schule, die dank diverser Zusatzqualifikationen den Schulsport "Reiten" anbieten und durchführen können. "Jeweils eine von uns führt das Pferd, die andere hilft vom Boden aus."

Genauso wichtig, wie die Therapie auf dem Pferderücken, ist aber auch der Umgang mit dem Partner Pferd - ein Erlebnis, das für viele Kinder ein ganz besonderes ist. "Aber es müssen auch Regeln eingehalten werden", sagt Bettina Casper.

Wie man sich im Stall verhält, wie man mit dem Lebewesen umgeht, wie man putzt, die Hufe auskratzt oder die Pferdeäpfel vom Hallenboden aufsammelt - das müssen auch die Kinder der Elfenwiese lernen, jeder ganz nach seinen körperlichen Fähigkeiten. "Sie haben hier keine Sonderstellung", so Casper. Aber das ist wahrscheinlich noch etwas, was ihnen einfach mal gut tut.

Christina Gramkow darf am Ende der Stunde auch mal aufsitzen. Sebastians Mutter ist ein wenig skeptisch, aber das legt sich bald. Schnell fühlt sie sich auf dem Rücken des doch beachtlich großen Samiro einigermaßen sicher. Als sie nach drei Runden absteigt, ist sie begeistert. "Das ist wie eine Massage. Das muss auch für Sebastian ganz toll sein."