Trotzdem seien die Auswirkungen auf die Bürger kaum spürbar, sagt Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD)

Lüneburg. Die Wirtschaft hat die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise überwunden. Auch der Arbeitsmarkt in hat sich erholt, Kurzarbeit ist in hiesigen Betrieben kein Thema mehr. Doch welche Folgen hat die Krise für den Haushalt der Hansestadt Lüneburg, für begonnene Projekte und Sanierungsmaßnahmen? Kann die Kommune den strikten Sparkurs überhaupt noch einhalten? Über die Belastungen durch wegbrechende Steuereinnahmen, den steigenden Schuldenberg und die Folgen für die Bürger sprach die Rundschau mit Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge.

Lüneburger Rundschau:

Herr Mädge, spätestens Ende 2008 wirkte sich die US-Immobilienkrise von 2007 auf die gesamte Weltwirtschaft negativ aus. Wann hat die Krise die Hansestadt Lüneburg erreicht?

Ulrich Mädge:

Vor allem 2009 und 2010. Das Frustrierende dabei: 2008 war unser Haushalt zum ersten Mal nach zehn Jahren ausgeglichen. Und das trotz Doppik, bei der durch die Abschreibungen gegenüber der Kameralistik rund zehn Millionen Euro mehr an Aufwendungen entstehen. 2009 hat es uns richtig erwischt, wir mussten zwei Nachträge für den Haushalt aufstellen. Insgesamt hat die Stadt in den Jahren 2009 und 2010 rund 40 Millionen Euro verloren, weitere zehn Millionen Euro Verlust haben wir für dieses Jahr kalkuliert.

Wie?

Mädge:

Die Gewerbesteuereinnahmen sind weggebrochen von 39,4 Millionen Euro im Jahr 2008 auf 22,5 Millionen 2009 und 24,7 Millionen 2010. Das laufende Jahr geht es wieder bergauf, wir rechnen mit rund 29 Millionen Euro. Dadurch ist die Schere zwischen Erträgen und Aufwendungen auseinander gegangen. Auch der Anteil an der Einkommensteuer war gesunken: Von 20,5 Millionen Euro 2008 auf 19,6 Millionen 2009 und 18,6 Millionen 2010. 2011 rechnen wir wieder mit 19,6 Millionen.

Was stand unter dem Strich des Stadt-Etats in den vergangenen Jahren?

Mädge:

Nach einem Überschuss von 6,5 Millionen Euro 2008 schrieben wir anschließend Defizite: 2009 in Höhe von 21,5 Millionen, 2010 18,4 Millionen. Für 2011 rechnen wir mit 9,8 Millionen Minus. Das macht insgesamt die Summe von 50 Millionen, die uns die Krise gekostet hat.

Welche Auswirkungen hatte die Krise im Stadt-Etat auf die Bürgerinnen und Bürger?

Mädge:

So gut wie gar keine. Wir sind stolz darauf, die Krise dem Bürger kaum spürbar gemacht zu haben. Natürlich haben wir einen Unterhaltungsstau unter anderem bei Straßen. Ausgaben in Kindergärten, Schulen, wichtigen Brücken, Rathaus, Jugend, Soziales und Kultur haben wir aber nicht gestrichen, sondern über Kassenkredite finanziert. Denn wir brauchen die Einrichtungen und wussten: Es gibt eine Zeit nach der Krise. Wir haben die Zeit daher überbrückt und weitsichtig gehandelt. Es waren harte Jahre, aber trotz der Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst sind wir auf hohem Niveau geblieben. Das ist auch die Leistung des Rats, der die Entscheidungen mit großer Mehrheit mitgetragen hat.

Dann war die Erhöhung der Müllgebühren nicht krisenbedingt?

Mädge:

Nein. Sie war strukturell bedingt. Die Gesellschaft für Abfallwirtschaft hatte ein Liquiditätsproblem, das die Stadt mit Krediten überbrückt hat. Hinzu kam das Problem sinkender Altpapierpreise und Verluste mit den blauen Tonnen, außerdem die Tarifsteigerungen. Die Gesellschaft für Abfallwirtschaft hat ihre Krise überwunden, und wir haben daraus gelernt: Stadt und Landkreis werden fortan das Eigenkapital auf drei Millionen Euro erhöhen, das heißt 2011 zusammen 500 000 Euro zuführen. Das ist die Summe, die wir durch die Entgeltsenkung sparen.

Welche Projekte musste die Stadt aufgrund der Krise abspecken oder gar streichen?

Mädge:

Wir haben überwiegend gestreckt, nicht gestrichen: Das neue Museum haben wir von 16 auf zehn Millionen heruntergefahren, die Erweiterung des Bahnhofs um ein Jahr verlängert. Die Sanierungen an der Christiani- und der Herderschule mussten wir um jeweils zwei Jahre nach hinten ziehen, Ähnliches gilt für das Johanneum und die Kita Brandheider Weg. Streichen mussten wir den Ausbau Auf der Höhe - allerdings deswegen, weil wir keine Landesmittel erhalten haben.

Welche Folgen hat die Krise auf den Ausbau der Kita- und Krippenplätze?

Mädge:

Wir haben dabei nicht zurückgesteckt und sind derzeit bei einer Versorgungsquote von 29 Prozent für Krippen. Ich denke aber, die Hansestadt braucht 50 bis 60 Prozent. Wir bauen 2012 gemeinsam mit der Klosterkammer und der St.-Michaelis-Kirchengemeinde zwei Krippen- und zwei Kita-Gruppen, im geplanten Familienzentrum Am Weißen Turm, und 2013 würden wir gerne eine Kita mit Krippe für Pendler am Bahnhof bauen - dafür allerdings brauchen wir Landes- und Bundesmittel.

Konjunkturpakete sollten Wirtschaft und Kommunen durch die Krise helfen. Wie viel haben sie die Stadt gekostet und der Stadt eingebracht?

Mädge:

Mehr als sieben Millionen haben wir 2009 und 2010 investiert, davon haben wir 4,4 Millionen bekommen und 2,7 Millionen selbst finanziert über Kredite. 2,8 Millionen gingen in Schulen, 2,7 Millionen in Kitas und drei Millionen ins alte Museum an der Wandrahmstraße.

Die Wirtschaft scheint die Krise überwunden zu haben. Wann ist die Stadt Lüneburg soweit?

Mädge:

2013. Dann wollen wir eine schwarze Null schreiben und beginnen, unsere Kassenkredite in Höhe von derzeit 150 Millionen Euro abzubauen, was wir ursprünglich bereits für 2009 geplant hatten. Denn die machen uns am meisten Probleme, kosten jährlich rund drei Millionen Euro Zinsen. Die Kommunalaufsicht hat uns zwar ein gutes Zeugnis für unser Haushaltssicherungskonzept während der Krise ausgestellt und uns für drei Jahre das Kreditvolumen erhöht. Ab 2012 müssen wir das Kreditvolumen aber wieder zurückfahren.

Wie soll das gehen angesichts der enormen laufenden Kosten und Investitionen?

Mädge:

Wir senken weiter unsere Kosten, und wir sind mit dem Kreis im Gespräch. Er wird bei der Grundsicherung in den kommenden drei Jahren voraussichtlich um Millionen entlastet. Wir reden über eine Absenkung der Kreisumlage, zu der die Stadt 50 Prozent beisteuert. Jeder Punkt weniger bedeutet für die Stadt eine Million Euro. Ich stelle mir eine Senkung des Kassenkreditrahmens in Fünfer- oder Zehner-Schritten vor. Wir sind der Motor der Region und bieten die notwendige Infrastruktur. Dafür benötigen wir aber weiterhin die entsprechenden finanziellen Mittel von Bund und Land.