Kai Markus Tegtmeier lässt gern Finger und Füße über Tasten, Pedale und Register fliegen

Amelinghausen/Garlstorf. Seinen ersten Einsatz hat Kai Markus Tegtmeier im Alter von 14 Jahren. "Die Hütte war voll und ich ziemlich nervös, doch alles hat ganz gut gepasst", sagt der heute 36-Jährige. Lachend fügt er an: "Keiner aus dem Publikum ist früher gegangen." Das wäre auch ungewöhnlich gewesen, denn die "Hütte" war die St.-Marien-Kirche in Wilhelmshaven; und der "Einsatz" sein erster Auftritt als jugendlicher Organist bei einem Schulgottesdienst vor mehreren hundert Pennälern.

Für Tegtmeier ist diese Premiere der endgültige Beginn einer großen, seinem damaligen Alter entsprechend eher ungewöhnlichen musikalischen Passion. Während andere Jugendliche Gitarre, Schlagzeug oder Flöte spielen, ist er vom kirchlichen Orgelspiel und bis heute vor allem von der "überwältigenden Klangfülle" des Instruments fasziniert. Dazu gehört für ihn auch die stetige Herausforderung, "dass jede Kirchenorgel anders zu handhaben ist."

Angefangen hat alles in einer Fußgängerzone. "Da spielte eine Band mit Keyboard, sowas wollte ich auch haben", sagt Tegtmeier. Die Eltern erfüllen ihm den Wunsch, bestehen aber auf Unterricht, den er "bei Tanzmusik auf Heimorgeln" auch erhält.

Lehrerin Ingrid Sturm, selbst auch Organistin, führt ihn schließlich auf die kirchlich-musikalische Schiene. "Das war eine harte, aber gute Schule bei ihr", sagt Tegtmeier, der mit 15 Jahren die Organisten-D-Prüfung für nebenamtliche Kirchenmusiker ablegt. Nach dem Abitur absolviert er in Düsseldorf erfolgreich ein Studium der Ton- und Bildtechnik, Hauptinstrument Orgel.

Mittlerweile ist Tegtmeier seit mehr als 20 Jahren fast jeden Sonntag als Organist in Gottesdiensten, bei Hochzeiten oder Konfirmationen unterwegs. Der in Garlstorf bei Salzhausen lebende 36-Jährige fungiert in den Kirchenkreisen Hittfeld, Winsen und Lüneburg als Springer. Da er "nebenbei" noch einen Chor in Hanstedt in der Nordheide leitet, kommt der System-Ingenieur für Audio- und Videosysteme beim Norddeutschen Rundfunk in Hamburg jährlich auf durchschnittlich 150 Einsätze oder Auftritte.

Die Freude am Musizieren ist ihm sofort anzumerken. Selbst das "Vorspielen" während des Gesprächs an der Orgel in der menschenleeren evangelisch-lutherischen Hippolit-Kirche in Amelinghausen zelebriert er mit einer kleinen Show. Getreu seinem Orgel-Leitspruch "Der Staub muss raus, lasst Luft an die Pfeifen!" fliegen Tegtmeiers Finger und Füße über Tasten, Pedale und Register.

Für ihn kommt es nach eigenen Worten nicht darauf an, dass das Orgelspiel technisch perfekt ist, sondern "dass alle Spaß und Enthusiasmus des Organisten spüren können." Und wenn es sein muss, dann unterhält er auch mal die wartende Hochzeitsgemeinde 45 Minuten lang am Stück, wenn das Brautpaar noch im Stau steht. Auf Sicherheit mit gemäßigtem Tempo spielen, bei dem jeder Ton stimmt, ohne Ecken und Kanten, findet er langweilig.

Seit gut einem Jahr hilft Tegtmeier in der Hippolit-Kirchengemeinde aus. Dort fehlt ein fester Organist. "Wir sind durch Zufall auf ihn gestoßen", sagt Pastorin Claudia Jürgens und fügt an: "Glücklicherweise". Sie ist begeistert von den Künsten des 36-Jährigen. "Er spielt nicht nur klasse, sondern lässt sich auf Themen in der Predigt ein, hat passende Stücke parat und reißt die Gemeinde mit."

So kann es durchaus sein, dass Kai Markus Tegtmeier die Kirche auch mal mit weltlichen Songs "rockt". "Es gibt wunderschöne Balladen, die von Liebe erzählen und perfekt in einen Gottesdienst passen, wie ,The Rose' von Bette Midler oder ,Up where we belong' von Joe Cocker und Jennifer Warnes", erklärt Tegtmeier. "Musikalisch oder inhaltlich gibt es immer Parallelen zwischen Kirchen- und weltlichen Liedern, beispielsweise bei ,Rivers of Babylon' von Boney M, das textlich ein altes Kirchenlied ist." Sein Lieblingslied ist "In Dir ist Freude", das rocke ordentlich und sei "spritzig wie ein Prosecco".

Tegtmeier liebt es auch, zu improvisieren. "Ein Vorteil ist - man muss nicht üben", sagt der Organist lachend. "Ich suche mir bei spontanen Einfällen im Gottesdienst ein Thema heraus und versuche, dazu ein passendes Kirchenlied zu finden, über das dann improvisiert wird." Da zieht der 36-Jährige dann sprichwörtlich alle Register.