Gericht: Gemeinde darf das Grundstück von Dieter Schulze betreten um zu reinigen

Radbruch. Der Radbrucher Grabenstreit hat ein Ende. Drei Jahre ist es her, dass die Räumung eines Gemeindegrabens an einem Privatgrundstück am Peerort nicht nur zu einem Polizeieinsatz führte, sondern auch vor Gericht landete. Jetzt hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg entschieden: Die Klage des Grundstücksbesitzers hat keinen Erfolg. Die Kommune hat gewonnen. Doch der Mann könnte erneut für Auseinandersetzungen sorgen.

An jedem ersten Sonnabend im Dezember machen sich die Mitglieder des Bauausschusses der Gemeinde auf Grabenschau und kontrollieren, ob das Wasser ungehindert abfließen kann. Am Flurstück 138/54 stellen sie sowohl 2006 als auch 2007 fest: Der Graben - im Eigentum und in der Unterhaltungspflicht der Gemeinde - ist zu stark verkrautet. Zweimal, im November 2007 und im Februar 2008, legt die Gemeinde dem Grundstücksbesitzer daraufhin die Notwendigkeit dar, den Graben mit Geräten säubern zu müssen - und zwar von seinem Grundstück aus.

Doch Dieter Schulze sieht das anders. Der Graben könne schließlich auch von der anderen Seite aus gereinigt werden.

Nur, dort stehen Obstbäume.

Der Gemeinde wird das schließlich zu bunt: Am 19. Februar 2008 teilt sie Schulze mit, dass zwei Tage später ein Radbagger auf sein Grundstück rollen würde - notfalls unter Zwang. Am 21. Februar 2008 dann stehen nicht nur Mitarbeiter der Gemeinde, der Samtgemeinde Bardowick und der beauftragten Firma bei Familie Schulze vor der Tür, sondern auch zwei Polizisten.

Die formelle Duldungsverfügung legen die Verwaltungsleute im Hausflur ab, denn eine Aushändigung an Dieter Schulze oder seine Frau gelingt nicht. Das verwundert nicht: In dem Papier steht nämlich, Schulze müsse die Räumarbeiten dulden - und zwar von seinem Grundstück aus.

Es kommt zu Auseinandersetzungen zwischen dem Mann und dem Polizisten - erst verbal, dann körperlich. Dieter Schulze sagt, er kam mit Prellungen und Nasenbluten ins Krankenhaus.

Die Räumarbeiten am Graben werden noch am selben Tag vollständig durchgeführt. Zwei Wochen später reicht der damals 68-Jährige Klage beim Verwaltungsgericht ein. Er will festgestellt wissen, dass dieser Verwaltungsakt rechtswidrig war.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg lehnt die Klage am 20. August 2009 ab. Dieter Schulze beantragt die Berufung. Das Oberverwaltungsgericht lehnt den Antrag am 14. Februar dieses Jahres ab.

Ein Stoßseufzer geht durch die Gemeinde. "Wir sind alle froh", äußert eine Mitarbeiterin gegenüber der Rundschau. Bürgermeister Achim Gründel sagt: "Nach dem Wasserrecht haben wir die Pflicht zur Grabenreinigung. Das per Hand zu machen, ist nicht zumutbar. Wenn wir es nicht machen, könnten wir nasse Füße im Ort bekommen. Das Wasser muss abfließen können."

Dieter Schulze hat derweil auf ganz andere Weise dafür gesorgt, dass erst einmal kein Radbagger mehr auf sein Grundstück kommt: Auf der unbebauten Wiese lagert er nach eigenen Angaben 200 Meter Holz, und neben dem Graben hat er einen Erdwall aufgeschichtet: zwei Meter hoch und drei Meter breit.

Gut einen Meter hat Schulze nach eigenen Angaben frei gelassen, Platz genug, um zu Fuß am Graben entlang zu gehen. "Jetzt hab' ich erst mal Ruhe", sagt Schulze.

Fragt sich nur, wie lange. Denn die nächste Säuberung kommt bestimmt. Und dann muss die Maschine genug Platz haben. Hat sie das nicht, entspricht der Wall vermutlich der Gewässerordnung nicht. Bürgermeister Gründel aber hat keine Lust auf noch mehr Streit. Er sagt: "Es geht mir nicht ums Prinzip, es geht nur darum, dass der Graben gereinigt wird. Da bin ich pragmatisch. Wir haben jetzt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts, und bei der nächsten Räumung gehen wir ruhig ans Werk."

Eine Alternative gäbe es übrigens auch noch: Dieter Schulze könnte den Graben selbst reinigen. Dann wäre auch der Wall egal.