Der verkaufsoffene Sonntag lockte zahlreiche Familien in die Lüneburger Innenstadt

Lüneburg. Der Muttertag von seiner schönsten Seite. Blühender Flieder, frischer Spargel und selten moderate Kraftstoffpreise - welch ein Beginn für einen Tag, den der amerikanische Präsident Wilson am 8. Mai 1914 zum nationalen Ehrentag erklärte. Im Landkreis ist man noch nicht ganz so weit. Auch soll es ja Mütter geben, die diesen Tag, den in Deutschland in den 20er Jahren Blumenhändler etablierten, aus ihrem Leben streichen.

Nicht so die Lüneburger Mütter Sonja Renken-Grohmann (40) und Anett Rosenbaum (38). Männer und Kinder und eine befreundetes Ehepaar haben es sich in der Fatboy-Longue - so jedenfalls nennt Ehemann Rosenbaum den Flecken vor dem Rathausplatz - gemütlich gemacht. Und setzt sich auf eines der gleichnamigen Kissen. Die Lüneburger Marketing GmbH hat sich zum Muttertag nicht nur einen verkaufsoffenen Sonntag einfallen lassen. Mit einigen Quadratmetern Rollrasen hat sie auf dem Rathausplatz eine Art Biotop geschaffen. Nicht eines für schützendwerte Tier- und Pflanzenarten, sondern eines, in der sich kurzfristig die Spezies Familie eine Auszeit nimmt.

Mit Blumenstrauß, Frühstück und kleinen Päckchen wurden die Frauen von Kindern und Männern am Morgen überrascht. Jetzt rekeln sie sich auf dem Fatboy. "Keinesfalls werden wir heute shoppen. Doch teilen wir nicht die hin und wieder geäußerte Kritik zur Vermengung von Muttertag und dem Verkaufsoffenen Sonntag", sagt die zweifache Mutter Annette Rosenbaum. Schließlich gebe es genügend Frauen, die als Krankenschwester oder Busfahrerin am Wochenende arbeiten.

Tatsachlich ist an diesem Tag unter den Besucher der Stadt weniger Kritik über die Kombination von Muttertag und verkaufsoffenem Sonntag zu hören als erwartet. Nicht einmal die Mitarbeiter eines großen Modehauses an der Bäckerstraße murren. "Wir finde es nicht schlimm, diesen Sonntag zu arbeiten ", sagt eine junge Frau. Ihre Mutter wird sie am Abend besuchen. Sie freut sich über das doppelte Gehalt an diesem Tag. "Außerdem ist das Wetter gut. Das ist einen Garantie dafür, dass es voll wird."

Eine ältere Kollegin ist zurückhaltender: "Die Sonntagsarbeiten bei diesem schönen Wetter finde ich ungünstig." Lieber wäre sie mit ihrem Mann zu einer Radtour aufgebrochen.

Warum der Muttertag zum verkaufsoffenen Sonntag wird oder umgekehrt, erklärt Heiko Meier. Der Coffeeshop-Besitzer spricht für das Lüneburger Citymanagement (LCM), einer Vereinigung des Lüneburger Einzelhandels: "Der Einzelhandel hatte sich einen anderen Termin ausgesucht. Nämlichen den 17. Mai. Den hat man uns nicht genehmigt. Der 8. Mai ist für uns die zweite Wahl."

Viermal jährlich finden in Lüneburg verkaufsoffene Sonntage statt. Über die Termine entscheiden die LCM, die Geschäftsführung der Lüneburg Marketing, das Ordndungsamt und die Superintendentin. Unter anderem sie sprach sie gegen den 17. Mai, den Palmsonntag, aus. "Was ist nun wichtiger, der Palmsonntag oder Muttertag?", fragt sich Meier.

Im Übrigen werde so ein Tag teuer bezahlt, wenn die Angestellten nach Tarif entlohnt würden. "Die Arbeitnehmer erhalten einen Riesenaufschlag. Also muss ein solcher Tag zum Erfolg werden." Weil Lüneburg Ausflugsstadt ist, könnte die lokale Geschäftswelt in der Stadt unbegrenzt verkaufsoffene Sonntage ausrufen. "Das will natürlich niemand. Da würde der Reiz des Besonderen verloren gehen", so Meier. "Wir beschränken uns deshalb auf jährlich vier Sonntage."

Der Muttertag jedenfalls hat wie der verkaufsoffene Sonntag seinen Platz im Kalender gefunden. Gewöhnlich wird der am zweiten Sonntag im Mai gefeiert. Sollte er allerdings auf Pfingstsonntag fallen, kann er verschoben werden.

Den Familienfesttag, den Mütter heute meist freiwillig und privat genießen, erklärten die Nationalsozialisten 1933 zum Staatsfeiertag. Obwohl in den vergangenen Jahren der Valentinstag dem Muttertag den Rang abzulaufen droht - am Tag der Mütter werden immer noch mehr Blumen verschenkt als am Tag der Liebenden.