Sozialministerium beendet Quartiersinitiative. Im Haushalt muss gespart werden

Lüneburg. Bürger und Kommunalpolitiker sind einmal mehr verärgert über die Landesregierung. Ursache: Das Sozialministerium hat die sogenannte Quartiersinitiative gestrichen. Mit dem Förderprogramm hat das Land Niedersachsen Kommunen Geld zur Verfügung gestellt, damit sie ihre Orts- und Stadtkerne aufwerten konnten und sie so vor der Verödung bewahrten. Seit 2007 ist jährlich eine Million Euro geflossen. Städte und Gemeinden erhielten zwischen 10 000 und 120 000 Euro für ihre Projekte. In 68 Orten wurden mit Hilfe der Quartiersinitiative die Zentren aufpoliert - auch in Lüneburg, Bleckede und Bardowick. Doch nun ist Schluss.

Jörg Sohst aus Bleckede, der als Bürger bei der Quartiersinitiative in der Elbestadt mitgewirkt hat, ist verärgert über die Entscheidung aus Hannover. "Niemand wird der Landesregierung abnehmen, dass das Land nicht weiterhin eine Million Euro pro Jahr aufbringen kann", sagt er.

Die Quartiersinitiative habe Bleckede gut getan, so Sohst weiter. "Es war ein Förderprogramm, dass Kommunen und Bürger zusammengetrommelt hat, damit sie gemeinsam etwas auf die Beine stellen." In Bleckede haben seinen Worten zufolge zwei Bürgerversammlungen mit jeweils rund 40 Teilnehmern stattgefunden, bei denen Ideen entwickelt worden waren. "Ohne die Quartiersinitiative wären wir wohl nicht darauf gekommen, die Innenstadt an den Hafen anzubinden", sagt er.

Inzwischen sind die Vorschläge in die Tat umgesetzt worden. Die Stadt verfügt jetzt unter anderem über ein Leitsystem für Besucher. Auch die Schaufenster im Ort sind aufgewertet worden. Und der Elberadweg verläuft jetzt mitten durch die Stadt. "Schade, dass das Förderprogramm nicht weiterläuft. Wir haben schon die nächste Idee, wollen die Innenstadt besser beleuchten", sagt Jörg Sohst.

Heinke Traeger, Sprecherin des Sozialministeriums, sagt, die Quartiersinitiative sei erfolgreich gewesen und habe viele schöne Projekte in kurzer Zeit hervorgebracht. "Aber von Anfang an war die Initiative nur als befristetes Modellprojekt geplant, das Vorhaben anschieben und für eine Aufbruchstimmung im Land sorgen sollte", so die Ministeriumssprecherin. Es sei zwar kein teures Förderprogramm gewesen, doch Haushaltsgründe zwingen zum Ende. "Für 2012 sind keine Mittel im Etat vorgesehen", sagt sie. Dennoch werde das Ministerium bis zum Jahresende alle 68 eingereichten Projekte auswerten. "Und auf der Grundlage kann es neue Entscheidungen geben."

Die grüne Landtagsabgeordnete Miriam Staudte aus Scharnebeck kann die Haltung der Landesregierung nicht nachvollziehen. Sie sei umso unverständlicher, weil mit den Anschubfinanzierungen des Landes in Höhe von einer Million jährlich eine Fülle von privaten Investitionen in Gang gekommen seien und die drohende Verödung von Quartieren abgewendet werden konnte. Auch der Landkreis Lüneburg habe von der Förderung profitiert. Nach Bardowick flossen ihr zufolge 34 340 Euro, nach Lüneburg 45 000 Euro und nach Bleckede 80 000 Euro. "Wenn Sozialministerin Aygül Özkan von der CDU betont, die Wiederherstellung der Lebensfähigkeit von Quartieren sei ein langfristiger Prozess, muss die Quartiersinitiative fortgeführt werden." Der Vorstoß der Grünen, die Förderung aufrechtzuerhalten, sei von CDU und FDP bei den Haushaltsberatungen abgelehnt worden, sagt Staudte.

Günter Dubber, Gemeindedirektor von Bardowick, bedauert das Ende der seinen Worten zufolge vorbildlichen Quartiersinitiative. "Sie war sehr wichtig für Bardowick, weil bei uns ein kreatives Forum aus Bürgern, Gewerbetreibenden und Verwaltung entstanden ist, das gemeinsam Verantwortung für die Ortsplanung übernommen hat", sagt er. Die Quartiersinitiative schaffe Bürgerinitiative und -beteiligung. "Früher war die gemeinsame Verantwortung für ein sogenanntes Quartier nicht so ausgeprägt. Bürger haben oft andere Interessen als Gemeindeverwaltungen." Doch das Förderprogramm führe zusammen und schaffe neue Strukturen in der Kommunikation, so dass Ideen und Meinungen der Bürger in die Planungen einfließen.

Einmalig an der Quartiersinitiative sei, so Dubber, dass kleine Schritte zu großen Veränderungen in den Orten führten. Bardowick ist ein Beispiel. Das Quartier Pieperstraße und Große Straße soll eine einladende Einkaufsstraße werden. Umbauarbeiten stehen an, um das bisher triste Erscheinungsbild aufzupolieren.

Doch bevor es soweit ist, hat erst einmal ein neuer Wochenmarkt seit vorgestern für den Anfang gesorgt, mehr Menschen in den Ortskern zu locken. "Das Förderprogramm hat dazu beigetragen, den ländlichen Raum lebenswerter zu gestalten. Leider gibt es jetzt nichts Vergleichbares mehr, aber noch viele Orte, in denen Handlungsbedarf besteht", so Dubber.