15 Frauen und Männer wohnen in den Bauwagen am Ebelingweg 6. Jetzt wollen sie Bäume pflanzen

Lüneburg. Seit einem halben Jahr gibt es im kleinen Lüneburg etwas, was es in der benachbarten Großstadt Hamburg nicht gibt: einen offiziell anerkannten Bauwagenplatz. Zurzeit läuft das Verfahren für die Änderung des Flächennutzungsplans. Das Grundstück beim Baseballplatz des MTV-Sportparks am Kreideberg soll Sonderbaufläche für "Experimentelle Lebensstile" werden.

Die Bauwagenbewohner im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg haben derzeit keinerlei Sicherheit, auch wenn die ursprünglich drohende Zwangsräumung der Siedlung erst einmal vom Tisch ist. Die Lüneburger Stadtverwaltung will ihren Bürgern dagegen die selbst gewählte Wohnform lassen - und zwar auf Dauer.

Wie berichtet, mussten im Herbst vergangenen Jahres die Bewohner von Bauwagen an den Kleingärten am Meisterweg und auf einem Grundstück an der Uelzener Straße umziehen, weil die Eigentümer die Flächen anders nutzen wollten. Vor einem Jahr gründeten die Betroffenen daher einen Verein, er heißt Leben(s)wagen. Der hat der Stadt 50 000 Euro für die Erschließung der einstigen Ackerfläche gezahlt, nun liegen dort Stromleitungen und Rohre für Frisch- und Abwasser. Und es gibt eine gepflasterte Zufahrt am Ebelingweg, die gerade noch auf dem Gebiet der Hansestadt Lüneburg liegt.

"Ebelingweg 6" lautet die Anschrift der mittlerweile rund 15 Anwohner des Neubaugebiets der etwas anderen Art. Vorne steht ein Holzbriefkasten für alle, es gibt einen Festnetzanschluss für alle, eine Waschmaschine für alle und einen Toilettenwagen mit Duschen. Ein gemeinsamer Kühlschrank ist geplant, ebenso eine Lagerhütte für Holz und ein Gemeinschaftswagen mit Bibliothek.

Viel von dem gekauften Ökostrom aus der Leitung verbrauchen sie nicht, höchstens für ein paar Euro im Monat pro Person. Die meisten haben eine Solaranlage auf dem Dach oder sogar ein Miniwindrad im Garten. Geheizt wird mit holzbefeuerten Öfen. Die machen die Bauwagen wärmer als so manche Wohnung in einem Steinhaus, sagt Arne: "Wenn ich meine Freunde besuche, friere ich." Der 29-Jährige ist Zimmerer und macht eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger, lebt seit sieben Jahren in einem Bauwagen bei Gut Wienebüttel. Für das Gespräch mit der Rundschau ist er zu seinen neuen Nachbarn zum Kreideberg auf einen Tee vorbeigekommen. Sonst ist er gemeinsam mit Nachbarin Ramona (30), Sozialpädagogin, häufig zur "Vokü" am Ebelingweg: Dann wird für alle gekocht, und jeder - ob Bauwagenbewohner oder nicht - kann gegen eine Spende mitessen. Und am Jahrestag von Tschernobyl, Ostermontag, organisieren die Lüneburger die "VolXsküche" vor Krümmel.

Denn eins verbindet die jungen Leute - abgesehen von ihrem Wunsch, im Bauwagen zu leben: ein politischer Geist. Etwas zwischen Nachbarn und Mitbewohner sind die Leute in den Bauwagen, sagt Anna (28). Die Umweltwissenschaftlerin lebt seit drei Monaten in ihrem neuen Zuhause. Trotz Wind und Straße genießt sie das Leben am Stadtrand: "Wir leben eine besondere Form der Gemeinschaft." Sie reizt die Mischung aus eigenverantwortlichem eigenen Raum und Gruppe: "Wenn ich Unterstützung brauche, bekomme ich sie."

Die junge Frau mit Diplom in der Tasche wünscht sich, dass die anderen Lüneburger ihre Entscheidung für diese Form des Wohnens akzeptieren. "Und zwar als aktive Entscheidung - und nicht, weil wir keine andere Wohnung finden."

Ihre Nachbarin-Mitbewohnerin Cécile (29), durch Kletteraktionen etwa beim Castortransport bekannt und seit drei Jahren Bauwagenbewohnerin, sagt: "Wir sind nicht da, um eine Lücke zu füllen. Wir gehören zum Stadtbild, wollen einen sicheren Status und dazugehören." Zu der Kritik vorbeifahrender Leute über ein lotteriges Erscheinungsbild des Platzes sagt die studierte Lehrerin und Betriebswirtschaftlerin: "Wir wollen unseren Müll ja nicht herumliegen lassen, natürlich nicht. Es herrscht aber noch eine Art Übergangszeit, und wir haben noch nicht für alles Unterstände bauen können."

Sobald sie ausreichend Boden - beispielsweise von der Stadt aus dem Neubaugebiet Hanseviertel - bekommen, wollen sie den bereits angefangenen Wall zur Lüneburger Straße hin auf zwei Meter Höhe vergrößern und anschließend Bäume darauf pflanzen: als Wind-, Lärm- und Lichtschutz vor dem Fernlicht der Autos.

Doch eines funktioniert trotz Strom, Zufahrt und fließend Wasser im Bauwagen einfach nicht, hat Cécile in den vergangenen drei Jahren gelernt: Zimmerpflanzen. Sobald sie im Winter mehrere Tage unterwegs ist, ist jede Blume bei ihrer Rückkehr tot: erfroren. Dafür ist es für die Nachbarn umso schöner, einen Garten vor der Bauwagentür zu haben, ohne Grundstücksbesitzer zu sein: Und die ersten Stiefmütterchen blühen schon.

Für den 30. April lädt der Verein Leben(s)wagen zum "Tanz in den Mai" einschließlich Mitmachbuffet ein: Um 15 Uhr geht's los, ab 19 Uhr gibt es Livemusik.

www.lebenswagen.de