Der vom Landgericht verurteilte 46-Jährige aus Munster bezeichnet seine Stieftochter als “manipulativ“ und “verlogen“

Lüneburg. Alexander G. will vor den Bundesgerichtshof ziehen. Das Landgericht Lüneburg hat den 46-Jährigen aus Munster wegen schweren sexuellen Missbrauchs in elf Fällen und sexuellen Missbrauchs in 20 Fällen an seiner Stieftochter am 18. November des vergangenen Jahres zu zehn Jahren Gefängnis und 20 000 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Der Verteidiger hat Revision eingelegt, das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.

73 Seiten umfasst die schriftliche Ausführung der ersten großen Jugendkammer. Sie lässt ins Leben eines Mannes blicken, der mit 13 Jahren zum ersten Mal mit einem Mädchen schläft und 30 Jahre später meint, seine Stieftochter sei bereit zum ersten Geschlechtsverkehr mit einem Mann.

Die Grundschule wechselt Alexander G. wegen Problemen mit einem Lehrer. Nach Realschulabschluss und Handelsschule bricht er eine Lehre zum Maler und Lackierer aus gesundheitlichen Gründen ab. Er arbeitet als Segelmacher, lernt Kaufmann, geht zur Bundeswehr. Er heuert im Rollladenbau an, als Versicherungskaufmann, Lebensmittelsortierer, Fahrer bei der Paketpost, Koch. Er arbeitet bei der Kampfmittelbeseitigung, in der Asbestsanierung, der Werbemittelherstellung, im Alubau, in der Computerbranche, bei Wachdiensten. Immer wieder ist G. arbeitslos. Er geht in die Privatinsolvenz.

Dreimal heiratet G.: 1987 für vier Jahre, 1996 für knapp ein Jahr, 1999 bis heute. Mit seiner ersten Ehefrau bekommt er 1987 einen Jungen und 1990 ein Mädchen, mit der zweiten 1996 ein Mädchen, mit der dritten 1997 eine Tochter und 1999 einen Sohn. Zwei Stiefkinder - Mädchen und Junge - bringt die dritte Ehefrau mit.

Noch 1996 zieht er mit ihr zusammen. Neunmal wechselt die Familie in den folgenden Jahren die Wohnung. Bis G. alleine seine Sachen packt: für seinen Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt Uelzen, Abteilung Lüneburg.

Alexander G. wird der Stiefvater von Jasmin*, als sie zwei Jahre alt ist. Als sie sechs Jahre alt ist, vertritt er laut Gericht die Auffassung, dass seine Stieftochter nunmehr alt genug sei, "um ihn zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse oral zu stimulieren". Als Jasmin 13 Jahre alt ist, meint er, sie sei"alt genug" für Geschlechtsverkehr.

Als Jasmin sich wegen massiver Selbstverletzungen im April 2008 in der Psychiatrischen Klinik Lüneburg aufhält, erfährt sie, dass ihr zwei Jahre älterer Bruder bei der Polizei gegen seinen Stiefvater ausgesagt hat: Missbrauch. Wenige Tage später schreibt Jasmin über eigene Erlebnisse: "Ich konnte immer nicht nein sagen, weil ich mich schuldig gefühlt habe, weil er mir fünfmal das Leben gerettet hat."

Es folgen Vernehmungen bei der Polizei, Ermittlungen, Anklageerhebung, Beurteilung durch eine Gutachterin, Vernehmungen vor Gericht. Alexander G. bestreitet sämtliche Vorwürfe, nennt die Stieftochter "manipulativ" und "verlogen". Die Mutter hält zum Ehemann. Der Bruder widerruft seine Aussage, das Landgericht glaubt ihm nicht - aber Jasmin.

* Name geändert