Wissenschaftler der Leuphana Universität Lüneburg entwickeln Systeme, um vergeudete Abwärme als Heizung zu nutzen

Lüneburg. Oliver Opel war vergangene Woche an der Leuphana Universität Lüneburg nicht zu erreichen. Der Wissenschaftler stand mit Kollegen am Niedersachsen-Stand auf der Messe in Hannover und präsentierte die am Institut für Umweltchemie zurzeit erforschte Schlüsseltechnologie: eine thermische Batterie. Sie soll ungenutzte Wärme nutzbar machen.

Wie das funktioniert, erklärt Oliver Opels Chef, der Dekan für Nachhaltigkeit an der Universität. "Wir versuchen, Abwärme zu speichern und sie als Heizung zu verwenden", sagt Prof. Dr. Wolfgang Ruck im Gespräch mit der Rundschau. Seit 25 Jahren forscht der Chemiker zum Thema Wärmespeicherung. Am Institut für Umweltchemie arbeiten Ruck und seine Kollegen zurzeit an zwei unterschiedlichen Systemen, um die "waste energy", die vergeudete Energie, nutzbar zu machen.

Wie viel Energie tatsächlich vergeudet wird, macht Ruck mit einem imposanten Vergleich deutlich: "Der Durchschnittsdeutsche bläst mehr Wärme über den Kühler seines Autos in die Landschaft, als er braucht, um sein Haus zu heizen." Insgesamt steht laut Ruck jeder für Raumheizung und Warmwasserbereitung benötigten Energiemenge die doppelte Menge an Abwärme gegenüber, die zum Beispiel bei der Stromproduktion entsteht. Und die geht ins Nirwana. Noch.

System Nummer eins zur Rettung der verlorenen Energie wird bereits am Berliner Reichstag eingesetzt und soll mittelfristig auch in Lüneburg erprobt werden: ein Langzeitwärmespeicher verbunden mit einem Blockheizkraftwerk. Eine solche Anlage mit Dieselmotor und Dynamo heizt das Reichstagsgebäude im Winter. Im Sommer stehen Motor und Dynamo still, sind ungenutztes Kapital.

Die Lüneburger Wissenschaftler ändern das: In 300 Metern Tiefe liegt eine rote Sandsteinschicht, die Salzwasser enthält. In einem Abstand von 1200 Metern haben sie diese Schicht zweimal angebohrt: einmal, um das warme Wasser des Motors aus dem Blockheizkraftwerk an der Erdoberfläche nach unten zu pumpen, und einmal, um das kalte Wasser zur Kühlung des Motors nach oben zu pumpen.

Denn wir haben ein einfaches Problem, sagt Ruck: "Im Winter ist es zu kalt und im Sommer zu warm." Der Speicher gleicht die Differenz aus: Im Sommer wird er geladen, im Winter wird das heiße Wasser nach oben gepumpt. Und der Motor des Blockheizkraftwerks erfüllt das ganze Jahr einen Zweck.

Eine ähnliche Anlage planen Universität und E.on-Avacon derzeit für den Süden Lüneburgs. Nahe dem Uni-Campus steht ein Blockheizkraftwerk von E.on-Avacon, das mit Bioerdgas betrieben wird. Dort soll etwas Ähnliches wie unter dem Berliner Reichstag entstehen, außer dass in Lüneburg vermutlich 50 bis 100 Meter tiefer gebohrt werden muss - wegen des Salzstocks im Untergrund. Zurzeit läuft das bergrechtliche Verfahren, und es werden nötige geologische Gutachten erstellt. Geht es an den Bau der Anlage, rechnet der Lüneburger Professor mit einer Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums. Geplant ist, dass die Anlage nicht nur das Audimax und die Universität, sondern den gesamten Stadtteil Bockelsberg mit Wärme versorgen wird.

System Nummer zwei der Lüneburger Wissenschaftler zur Rettung der verlorenen Energie ist die thermische Batterie. Sie dient als Kurzzeitwärmespeicher, der häufig be- und entladen wird. Gespeichert wird die Wärme in chemischen Reaktionen. Bislang sind die Lüneburger so weit, dass ihre Batterie pro Kilogramm Gewicht doppelt so viel Energie speichern kann wie ihre Lithium-Ionen-Kolleginnen. Die Vision der Wissenschaftler: die Abwärme von Autos nutzen zu können. Um das möglich zu machen, entwickeln die Mitarbeiter des Instituts zurzeit die notwendigen Speicher.

Denn Wärme kann laut Ruck nur zehn bis 30 Kilometer weit transportiert werden. Mit der Abwärme des Atomkraftwerks Krümmel beispielsweise lässt sich in Lüneburgs bislang nichts anfangen. "Leistungsstarke Wärmespeicher stellen eine Schlüsseltechnologie für die Nutzung von Abwärme dar", sagt Ruck. Vorteil der thermischen Batterie: Das System kann leicht an unterschiedliche Anwendungen angepasst werden, ist sowohl stationär als auch mobil einsetzbar.

Am Freitag Teil 9 der Serie: Die Stromdetektive