Ein 36 Jahre alter Flüchtling aus dem Irak kommt in der Verhandlung am Lüneburger Amtsgericht mit einer Verwarnung davon.

Lüneburg. Eingezwängt zwischen seinem korpulenten Verteidiger und der hoch aufgeschossenen Dolmetscherin könnte man Rachid K. auf der Anklagebank leicht übersehen. Der schmale junge Mann mit den schwarzen Haaren ist sichtlich nervös. Sein Blick wandert unruhig durch den Saal des Lüneburger Amtsgerichts, bis er an seiner Frau, die im Zuschauerraum Platz genommen hat, hängen bleibt.

Immer wieder springt der Angeklagte während der Verhandlung auf, wenn der Richter ihn ansieht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Koch Urkundenfälschung vor. Der irakische Pass, den er bei der Ausländerbehörde in Lüneburg vorlegte, erwies sich als Fälschung. Aufgeflogen war die Sache nur, weil Rachid K. heiraten wollte und dafür die notwendigen Papiere vorlegen musste.

Das Leben von Rachid K. ist kompliziert. Seit zehn Jahren lebt er als Flüchtling in Deutschland. Ihm wurde politisches Asyl zugestanden, weil er in seinem Heimatland wegen seiner Religion um sein Leben fürchten muss. Unter der Herrschaft von Saddam Hussein wurden im Irak Angehörige der christlichen Minderheit systematisch schikaniert und unterdrückt.

Noch vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen und dem Sturz des Diktators gelingt Rachid K. im Jahr 2000 die Flucht. Es muss alles ganz schnell gehen, Zeit zu packen, bleibt nicht. Nur mit dem, was er am Leib hat, verlässt er seine Heimat. Nicht mal seinen Pass steckt er ein. Stattdessen kauft eine falsche irakische Identitätskarte, mit der er sich fortan überall ausweist. Andere Familienmitglieder folgen Rachid K.s Beispiel widerstrebend. Eine Schwester fand wenig später politisches Asyl in Kanada, die Eltern, die das Land ihrer Vorfahren nicht verlassen wollen, sind inzwischen mehrfach vertrieben worden.

In Deutschland lernt Rachid K. die Frau seines Lebens kennen, 2004 beschließen sie zu heiraten. Damit beginnen die Schwierigkeiten. Als sich Rachids Pass als Fälschung heraus stellt, wird die Heirat des Paares in Deutschland durch einen langwierigen Papierkrieg erschwert. Kurzerhand beschließen sie in Dänemark zu heiraten. Mittlerweile ist die Ehe auch in Deutschland anerkannt. Ein weiterer Punkt, der für den Aufenthaltstitel des Angeklagten wichtig ist: Seine Frau hat den Einbürgerungstest bestanden und seit mehr als zwei Jahren einen deutschen Pass.

"Wovon leben Sie?", fragt der Richter. "Arbeit", sagt der junge Mann stolz. In einem Lüneburger Lokal steht er seit Jahren in der Küche am Herd. Nur mit der deutschen Sprache hapert es noch. "Der Mann ist ein unbescholtener Bürger, ein Einwanderer wie ihn sich viele in der aktuellen Integrationsdebatte wünschen", sagt sein Verteidiger.

Die Staatsanwaltschaft wertet das Geständnis des Mannes als strafmildernd und fordert eine Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro. Der Richter spricht Rachid K. der Urkundenfälschung schuldig und lässt den jungen Mann mit einer Verwarnung davon kommen. Er ordnet eine Geldstrafe in Höhe von 300 Euro an, die aber nur dann fällig wird, wenn sich der Iraker in den kommenden zwei Jahres etwas zuschulden kommen lässt. Rachid K. lächelt erleichtert, geht schnurstracks zu seiner Frau und verlässt Hand in Hand mit ihr den Saal.