Seit rund zehn Jahren läuft die unter dem Titel Bologna-Prozess beschlossene, europaweite Reform der Universitäten.

Lüneburg. Diplom- und Magisterstudiengänge werden durch Bachelor- und Masterabschlüsse ersetzt, außerdem soll ein kürzeres Studium mit zwei aufeinander aufbauenden Qualifikationen die Hochschulabschlüsse auf europäischer Ebene vergleichbar machen und die Chancen der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen.

"Mit der notwendigen Straffung der Unterrichtsstoffe ging aber nicht selten der Praxisbezug verloren", sagt Volker Linde, Leiter des Bereichs Aus- und Weiterbildung an der IHK Lüneburg. Die Bachelor-Studiengänge, die nur sechs Semester für die Regelstudienzeit vorsehen, haben aus Sicht der Wirtschaft den Unterrichtsstoff um wichtige Praxisinhalte verkürzt, meint die IHK.

Die Kammer hat im Bezirk Lüneburg-Wolfsburg 320 ausbildende Unternehmen zu ihren Erfahrungen mit Hochschulabsolventen befragt. Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen (44 Prozent) berichteten von Problemen bei der Besetzung der offenen Stellen mit Hochschulabsolventen.

12,5 Prozent der Firmen erhielten überhaupt keine Bewerbungen auf ihre Stellenangebote, bei rund 38 Prozent der Unternehmen gab es Trennungen während der Probezeit. "Zehn Prozent der Unternehmen beanstanden, dass die akademischen Mitarbeiter nicht in der Lage sind, ihre theoretischen Kenntnisse in die Praxis umzusetzen. Je neun Prozent der Betriebe kritisieren mangelnde fachliche, methodische und soziale Kompetenzen", erklärt Volker Linde.

Auch bei den Umfragen anderer Kammern deutschlandweit wurden fehlende praktische Erfahrungen der Bachelor- und Master-Absolventen und mangelndes Fachwissen, sowie mangelnde soziale und persönliche Kompetenzen beanstandet.

"Angesichts dieses Befundes liegt auf der Hand, dass die Bologna-Reform nachgeschärft werden muss. Betriebliche Praxis und Hochschulstudium müssen noch enger miteinander verzahnt werden, zum Beispiel durch Pflichtpraktika, Projektarbeiten ab dem ersten Semester, Seminare mit Unternehmern und durch den intensiveren Austausch über Lehrinhalte", sagt Volker Linde. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangel könne man sich es nicht leisten, akademischen Potenziale brach liegen zu lassen, meint die IHK.