Prozess wegen übler Nachrede am Amtsgericht Lüneburg geht in die nächste Runde

Nur vier Minuten statt der versprochenen Viertelstunde hat alles gedauert. Gerade erst war der Hubschrauber vor dem Baumarkt abgehoben, aber gleich darauf wieder gelandet. Schuld an der Kürze des Vergnügens hatte nach Meinung von Erik L. der kleine Peter. Genauer gesagt, sein Geruch. Der Sohn seiner Bekannten habe nicht nur ziemlich streng gerochen, sondern sei auch schmuddelig gekleidet gewesen, als man sich zu dritt zur großen Kreiselsause in Bardowick traf, erzählt der 48-Jährige Staatsanwalt und Richterin am Amtsgericht Lüneburg.

"Ich saß mit der Mandy P. hinten und der Junge vorn beim Piloten. Vielleicht konnte der diesen beißenden Geruch auch nicht ertragen und ist deshalb so schnell wieder runter", mutmaßt der braun gebrannte Mann, der lässig in seinem Stuhl hinter der Anklagebank fläzt und sich nicht die Mühe macht, seine blendend weiße Skijacke auszuziehen.

Kennengelernt hatte der geschiedene Vater einer Tochter Mandy P. auf einer Internetseite, auf der sich Frauen für ein kleines Taschengeld zum Sex mit Männern treffen. Zum Austausch von Zärtlichkeiten sei es aber zwischen ihnen nie gekommen. "Wir haben uns dreimal getroffen. Einmal in einem Café in Lüneburg, da war eine Freundin dabei. Ein anderes Mal allein und dann, bei der Kreiselsause, habe ich sie gefragt, ob sie Lust auf einen Hubschrauberrundflug hätte." Ob sie ihren Sohn mitbringen könne, denn der fände das sicher spannend, habe Mandy gefragt. Erik L. hatte nicht dagegen. Sie trafen sich wie verabredet auf dem Parkplatz eines Baumarkts in Bardowick und gingen kurz darauf in die Luft.

Ob er seine Bekannte auf den vermeintlich schlechten Geruch des Jungen aufmerksam gemacht habe, will die Richterin wissen. "Natürlich", versichert Erik L., "ich habe sie gefragt, was mit ihm los ist und wann er zuletzt geduscht hat. Das musste dem Gestank nach zu urteilen, mindestens einige Tage her gewesen sein." Mandy P. habe darauf aber nicht reagiert.

Nach dem Rundflug seien sie zu dritt zum Frühstücken gefahren. "Ich war froh, dass ich zu dieser Zeit ein Cabrio fuhr", sagt der Arbeitslose, "so wie der Junge nach speckigen Klamotten und Urin gerochen hat, unerträglich". Zum Abschied gab Erik L. seiner Bekannten noch 50 Euro für eine Tankfüllung, die wollte sie ihm später anderweitig zurückzahlen. Doch dazu kam es nicht. "Nach diesem Eindruck wollte ich sie nie wieder sehen. Vorher fand ich sie attraktiv. Aber als ich den Jungen gesehen habe, ist mir alles vergangen und ich habe den Kontakt abgebrochen."

Beendet ist damit die Geschichte aber nicht. "Vor lauter Sorge" schreibt Erik L. einen Brief an die Polizei, indem er darum bittet, dass sich das Jugendamt um die Familie von Mandy P. kümmern solle. Da zeigt sie ihn wegen übler Nachrede an. "Mein Eindruck war, dass sie Hilfe braucht", verteidigt sich der Angeklagte. Überdies kenne er einen ähnlichen Fall, "wo das Jugendamt echt geholfen hat."

Die Richterin ruft den Mitarbeiter des Jugendamtes in den Zeugenstand, der dem Hinweis der Polizei nachgegangen war. "Wir haben Frau P. und ihren Sohn besucht und nichts Auffälliges gefunden. Weder die Wohnung noch der Junge waren in irgendeiner Weise vernachlässigt", sagt der aus. Ob er seinen Besuch denn angemeldet habe, will der Staatsanwalt wissen. Das sei so üblich, antwortet der Zeuge, vor allem dann, wenn Familien wie die von Frau P. erstmals mit dem Jugendamt konfrontiert würden.

Da macht sich Ratlosigkeit breit. "So kommen wir nicht weiter", sagt die Richterin. Der Angeklagte schlägt vor, den Piloten des Hubschrauberrundfluges als Zeugen zu vernehmen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass dem der Geruch des Jungen entgangen ist", sagt Erik L., offensichtlich noch immer verbittert übers verpasste Flugvergnügen.

Das Gericht beschließt eine Fortsetzung der Verhandlung. Am Donnerstag, 17. Februar, 9 Uhr, sollen Mandy P. und der Helipilot, der damals neben dem kleinen Peter im Cockpit saß, im Saal 232 des Amtsgerichtes aussagen.