Studierende der Leuphana haben die Vertreibung jüdischer Familien aus Lüneburg erforscht und ein Buch geschrieben

Lüneburg. Es ist eines der finstersten Kapitel Lüneburger Lokalgeschichte: Die Zeit des Nationalsozialismus brachte für die Opfer des Regimes unvorstellbare Gräuel und Schrecken. "Lüneburg war schon ein bisschen brauner als andere Städte. Es existierten deutlich erkennbare nationalsozialistische Strukturen - was unter anderem auf die sehr aktive Tätigkeit des Gauleiters Telschow zurückging", sagt Hanno Balz, Dozent an der Leuphana.

Mit einer Gruppe von Studierenden der Kulturwissenschaft hat er das Buch "Arisierung jüdischer Geschäfte und Häuser in Lüneburg 1933-1943" geschrieben. Am Dienstag, 1. Februar, wird es um 19 Uhr im Glockenhaus vorgestellt. Am Beispiel von zwölf jüdischen Familien mit Grundbesitz zeigen die Autoren auf, welchen Verlauf dieser Teil der Entrechtung und Vertreibung jüdischer Mitbürger genommen hat. In Lüneburg und Hannover haben sie seit 2009 geforscht, und dabei auch Akten herangezogen, die erst in jüngster Zeit wieder zugänglich geworden sind.

"In Lüneburg existierte eine kleine und überschaubare jüdische Gemeinde aus rund 30 Familien. Ihre Spuren kann man bis zum Jahr 1943 verfolgen, da gab es die letzten Transporte nach Theresienstadt. Danach war das jüdische Leben erloschen - sowohl in Lüneburg als in ganz Deutschland", sagt Hanno Balz. Der Verfolgungsdruck, dem jüdische Mitbürger ausgesetzt waren, stieg nach der Progromnacht im November 1938 stark an. Mit System versuchte das NS-Regime, jüdische Familien auszurotten: wer erst einmal heimatlos war, weil er sein Haus verkaufen musste, hatte schon aufgrund der drohenden Obdachlosigkeit ein großes Problem.

Zwei Dutzend Grundstücke, so haben die Arbeiten der Studierenden ergeben, waren in Lüneburg von den Zwangsverkäufen während der Nazi-Zeit betroffen. Darunter das heutige Schuhhaus Schnabel, Vor dem Bardowicker Tore, das heutige Kaufhaus Tom Taylor, das früher Gubi (Gut und Billig) hieß und am Marktplatz steht - und das ehemalige Wäschegeschäft Less, Große Bäckerstraße 18.

"Bei der Familie Less haben in der Endphase der Vertreibung nahezu alle jüdischen Familien Unterschlupf gesucht, das war von Seiten der Gestapo durchaus erwünscht. Ihre Konzentration an einem Standort erleichterte die Deportation", erzählt Hanno Balz. Wer noch entkommen konnte, tat das in der Regel vor dem Jahr 1939. "Nach Kriegsausbruch wurde es ungeheuer schwer, fort zu kommen", sagt Jochen Fischer von der Geschichtswerksatt. "Die Familien, den es gelang, gingen vor allem in die USA, einige wenige auch nach Palästina", sagt Julia Menzel, Studentin der Kulturwissenschaft.

Doch wer fort ging, durfte kaum etwas von dem mitnehmen, was ihm zuvor gehörte. "Vom Verkaufserlös ihrer Häuser ist den Betroffenen so gut wie nichts geblieben. Der deutsche Staat hat sich damals ungeheuer bereichert", sagt Hanno Balz. Es gab auch einige wenige Fälle, in denen ein fairer Grundstückskaufvertrag erarbeitet wurde. "Aber der Normalfall war das nicht", meint Balz. Die Nationalsozialisten hatten der "Volksgemeinschaft" den sozialen Aufstieg versprochen - und den gab es, wenn auch in vielen Fällen auf Kosten der jüdischen Bürger.

"Es waren ganz normale Menschen, die den jüdischen Nachbarn zu einem Spottpreis ihre Häuser abgekauft haben. Es fand sich immer jemand, der das als günstige Gelegenheit empfunden hat. So sind diese Häuser und Geschäfte in die Hände von Personen gelangt, die sich Grundbesitz sonst nicht hätten leisten können. Die kleinen Leute hatten durchaus das Gefühl, das es aufwärts ging", sagt Balz. Der Wirtschaftsboom der dreißiger Jahre basierte in weiten Teilen auf dem rigorosen Vorgehen gegen die Juden. In ihrem Buch nennen die Studierenden nicht nur die Namen der Opfer, sondern auch die der Täter. "Das wollen wir nicht als Anklage an die Enkelgeneration verstanden wissen. Aber es ist der Vollständigkeit halber einfach nötig, so zu verfahren", sagt Hanno Balz.

Auch wenn das Kriegsende mittlerweile mehr als sechzig Jahre zurückliegt, hat die NS-Zeit ihre Bedeutung nicht verloren. "Es war ein gutes Gefühl, an dem Projekt mitzuarbeiten und zur Aufklärung dieser Phase etwas beitragen zu können", sagt Studentin Laura Bensow.

Das Buch "Arisierung jüdischer Geschäfte und Häuser in Lüneburg 1933 - 1945" ist ab dem 2. Februar für 14 Euro bei der Geschichtswerkstatt und in Buchhandlungen erhältlich.