Derzeit deuten sich Pegelstände wie bei den Fluten 2002 und 2006 an. In Alt Garge wird ein 100 Meter langer Notdamm errichtet

Alt Garge. An der Elbe im Landkreis Lüneburg bereiten sich die Menschen auf einen Hochwasseralarm vor, weil sich die Lage in den kommenden Tagen dramatisch zuspitzen soll. So wird im Bleckeder Ortsteil Alt Garge, den kein Deich schützt, seit gestern ein 100 Meter langer und ein Meter hoher Notdamm errichtet. Außerdem wird ein mobiler Deich aufgebaut und mit Sand befüllt sowie ein Erdwall aufgeschüttet. Denn die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sagt einen Pegelstand für Mitte kommender Woche voraus, der nur einen halben Meter unter dem Rekordwert von 2006 liegt, als die Elbe das bislang schwerste Hochwasser überhaupt führte.

Norbert Thiemann, Geschäftsführer des Artlenburger Deichverbandes, sagt, dass sich nach der derzeitigen Entwicklung sogar der Katastrophenfall für den Landkreis Lüneburg andeute. Erste Gespräche über einen möglichen Katastrophenalarm führen Deichverband und Kreisverwaltung heute Morgen.

"Mit jeder neuen Prognose schmilzt der Puffer zu den höchsten Wasserständen von 2002 und 2006 zusammen", so Bleckedes Bürgermeister Jens Böther (CDU). Grund sind die an der Oberelbe erwarteten starken Regenfälle und die weitere Schneeschmelze in den östlichen Mittelgebirgen, die sowohl die Pegel der Elbe als auch ihrer Nebenflüsse weiter kräftig ansteigen lassen. Zudem ist die Elbe im Landkreis Lüneburg schon seit geraumer Zeit gut mit Wasser gefüllt, das Deichvorland steht längst unter Wasser.

Die Stadt Bleckede war bei den Jahrhunderthochwassern 2002 und 2006 besonders betroffen. Die Ortsteile Alt Wendischthun, Alt Garge und Walmsburg waren der Elbeflut schutzlos ausgeliefert. Inzwischen steht in Alt Wendischthun ein neuer Deich und in Walmsburg ist der Deichbau so weit vorangeschritten, dass der Damm bereits einen ausreichenden Schutz gewähre, selbst wenn der sehr hohe Wasserstand eintreffen sollte, so Bürgermeister Böther.

Das Sorgenkind ist Alt Garge. Längst schwappen die Wellen der Empörung hoch, weil die Finanzierung des 2,3 Kilometer langen und 5,6 Millionen Euro teuren Deiches überraschend im vorigen Herbst geplatzt war. Der einst für kommendes Jahr geplante Baubeginn wurde verschoben. Weil das Umweltministerium in Hannover festgestellt hatte, dass im Ziel 1-Förderprogramm der EU für das Vorhaben nicht mehr genug Geld vorhanden ist.

Es war geplant, mit den Mitteln aus Brüssel plus weiteren von Bund und Land den Deichbau zu 95 Prozent zu fördern, sodass bei der Stadt Bleckede ein Eigenanteil von fünf Prozent der Baukosten verblieben wäre. Doch schnellte der Bleckeder Beitrag wegen des Loches im EU-Fördertopf auf satte 30 Prozent hoch. Das sind 1,7 Millionen Euro, die die finanziell ohnehin gebeutelte Stadt nicht aufbringen kann.

Und so steht Alt Garge erneut einem Hochwasser schutzlos gegenüber. "Wir sind auf uns alleine gestellt. Als Gefahrenabwehr lassen wir den Notdamm auf der Trasse des geplanten Deiches errichten. Das Provisorium kostet die Stadt 20 000 Euro", sagt Böther. Die Arbeiten führt die Deichbaufirma aus, die im Nachbarort Walmsburg den Wall baut.

Bürger fordern schon seit der dramatischen Elbeflut 2002 vehement einen Deich. Frühestens 2012, wohl aber erst ein Jahr später könnten die Arbeiten für einen Hochwasserwall in Alt Garge im besten Fall beginnen. Das ist das Ergebnis einer Stadtratssitzung Ende Oktober vergangenen Jahres, an der für den Hochwasserschutz zuständige Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) teilgenommen hatte. Der Minister war angereist, um verärgerten Bürgern und Kommunalpolitikern seinen Weg aus dem Finanzierungsdilemma für den Deichbau in Alt Garge zu präsentieren.

Geld hatte er nicht dabei, dennoch gestand er dem Bleckeder Ortsteil zu, dass dieser dringend einen Schutz vor dem Hochwasser der Elbe benötige. Seine Zusage im Oktober: "Wir bauen den Deich 2013."

Das setzt allerdings voraus, dass das Konzept des Ministers aufgeht. Sander möchte die Baukosten für den Deich senken und die Förderung auf 90 Prozent hochschrauben. "Ich gehe davon aus, dass wir Ziel 1-Mittel aus dem Wirtschaftsministerium umbuchen können", sagte er während der Stadtratssitzung.

Auf Verständnis stieß er mit seinen Planungen bei den Bürgern nicht. Sie hatten schon im Oktober das jetzt drohende Unheil vorhergesehen. "Wir sind ein Dorf im Notstand. Ich habe kein Bock mehr mir immer wieder die Frage zu stellen, ob wir das nächste Hochwasser wieder mit Notdeichen und Sandsäcken aufhalten können. Wir brauchen den Deich nicht erst 2012 oder 2013, sondern jetzt", sagte ein Alt Garger. Und Thomas Zerm, Vorsitzender des Fördervereins Deichbau Bleckede, sagt: "Ein weiteres Zögern beim Deichbau in Alt Garge ist nicht länger verantwortbar. Es zeigt sich einmal mehr, dass die Jahrhundertfluten inzwischen alle vier Jahre kommen."