Hidden Champions, die Lifestyle-Schmiede Dedon ist Marktführer für Outdoor-Möbel und inzwischen in 80 Ländern vertreten.

Lüneburg. Das Tempo ist rasant. Der Möbelhersteller Dedon mit Hauptsitz Lüneburg besteht erst seit 20 Jahren und expandiert wie kaum ein anderes Unternehmen. Um bis zu 80 Prozent in jedem Jahr. Dedon ist inzwischen in 80 Ländern der Welt vertreten, beschäftigt weltweit 3500 Mitarbeiter, fährt einen Jahresumsatz im dreistelligen Millionenbereich ein und hat prominente Kunden wie Hollywood-Schauspieler Brad Pitt, die Königinnen Beatrix der Niederlande und Rania von Jordanien, Sängerin Shakira und Fußballer Michael Ballack.

"Weil die Entwicklung so schnell ging, haben wir noch immer die Struktur eines Familienbetriebs, der für viele Mitarbeiter so etwas wie das zweite Zuhause ist", sagt Dedon-Sprecherin Julia Roeckner.

Die Herstellung und der Verkauf geflochtener Outdoor-Möbel sind das Erfolgsrezept. "Wir schaffen mit unseren Produkten das Wohnzimmer für draußen. Zu dieser Lebenswelt gehören neben den Möbeln unter anderem künftig auch Lampen und Teppiche", so Roeckner.

Oder anders: "Wir waren die ersten, die synthetische Fasern für Outdoor-Designermöbel verwendeten; die ersten, die damit zur wirklich globalen Marke wurden. Von dem Moment an, als Dedon zu produzieren begann, sah der Markt für Outdoor-Möbel plötzlich ganz anders aus", heißt es in der Selbstdarstellung der Firma.

Diese ist seit dem Vorjahr wieder zu 100 Prozent in Familienbesitz, nachdem Gründer Bobby Dekeyser seine Anteile von einem US-Investitionsfonds zurückerworben hatte.

"Zwischenzeitlich waren 50 Prozent weg, verkauft an einen Hedgefonds. Das fiel in die Zeit der Wirtschaftskrise. Dennoch hat Bobby Dekeyser die Reißleine gezogen, als sich die Arbeitsbedingungen verschlechterten", berichtet Roeckner. An allen Standorten - auch am Hauptsitz Lüneburg mit seinen 60 Mitarbeitern - wurde gespart und gestrichen. "Das war nicht mehr die Firma, die Dekeyser einmal gegründet hatte. Deshalb hat er eingegriffen."

Als Ersatzmann für den belgischen Nationaltorwart Jean-Marie Pfaff trug Dekeyser als Profifußballer einst das Trikot des FC Bayern München. Doch im Sommer 1990 erlitt er eine schwere Verletzung. Ein Ellbogenstoß zertrümmerte ihm die linke Gesichtshälfte.

Der Sportunfall veränderte sein Leben. In einem Münchner Krankenhausbett erfuhr er aus der Zeitung, dass bereits ein Nachfolger für ihn engagiert worden war. Dekeyser kam zu dem Schluss, dass er sich mit dem Fußball einen Kindheitstraum erfüllt hatte, der ihn jedoch kaum bis ans Lebensende ausfüllen würde. Und gründete, 26-jährig, noch im Krankenhaus Dedon.

Der Weg zum Erfolg aber war nicht vorgezeichnet. "Wir hatten damals keine Ahnung, was wir eigentlich verkaufen sollten", so Dekeyser. "Wir wollten einfach nur mit Freunden und Familie in einer netten Umgebung arbeiten und gemeinsam schöne Dinge schaffen." Das waren handbemalte Skier, Bastgiraffen aus Madagaskar und eine genial ausgeklügelte Kunstfaser, die weich, attraktiv und wetterfest ist. Sie war das einzig vielversprechende Projekt. Die Kunstfaser wird heute in Lüneburg hergestellt und seit 2000 in einer eigenen Fabrik auf den Philippinen geflochten.

Die Dekeyser-Familie zog schon in den 1990er-Jahren von München in den Norden Deutschlands, weil die Lieferungen von den Philippinen in der Hafenstadt Hamburg ankommen. In der Nähe von Lüneburg wurde ein 200 Jahre alter, verfallener Bauernhof als erster Firmensitz bezogen.

Die angelieferten Waren fanden bald keinen Platz mehr auf dem Bauernhof. Sogar in der neuen Firmenzentrale und im Ausstellungsraum in einem umgebauten Lüneburger Pferdestall aus dem 19. Jahrhundert im Lünepark wurde es eng, sodass die Firma in ein größeres Gebäude ins Industriegebiet Hafen übersiedelte. Und auf den Philippinen baute Dedon eine größere Fabrik, um mit den vielen Bestellungen Schritt halten zu können.

Das kleine Familienunternehmen wandelte sich zu einem Weltkonzern mit Standorten in Lüneburg, Hamburg, Antwerpen, Athen, Barcelona, Hongkong, Mailand, Monaco, New York, Limassol (Zypern), Wien und Winsen-Luhdorf. Im dortigen Gewerbegebiet baute das Unternehmen kürzlich das Zentrallager für Europa. Auf einer Fläche von 12 000 Quadratmeter können 41 000 Möbelstücke gelagert werden.

Der Wachstumsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Julia Roeckner: "Mittlerweile hat sich Dedon zu einer Lifestyle-Marke entwickelt. Daher wird es langfristig in Richtung eines Lifestyle-Konzerns gehen, der ab Juni auch ein eigenes Hotel auf der Philippineninsel Siargao eröffnen wird." Es soll aber auch auf dem US-Markt expandiert werden, um die weltweite Marktführerschaft bei den Outdoor-Möbeln auszubauen.

Die Bandbreite der Berufe im Hauptsitz Lüneburg ist bunt: Export- und Vertriebskaufleute, Einkäufer, Finanzbuchhalter, Controller, Mitarbeiter im internationalen Marketing, Grafiker, Lageristen, Fahrer der eigenen Flotte, Chemielaboranten, Köche und Rezeptionisten sind angestellt. "Außerdem bilden wir Grafiker, Lageristen und Kaufleute für den Im- und Export aus." Wichtig sei es dem Unternehmen, dass die Arbeitskräfte aus der Region kommen. "Wir wollen sie mit Beschäftigung stärken."

Im Durchschnitt sind die Dedon-Mitarbeiter in Lüneburg 36 Jahre alt. "Wir setzen viel auf Eigenverantwortung. Vertrauen wird bei uns groß geschrieben. Es kontrolliert niemand, ob die festgelegte Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche eingehalten wird. Jeder teilt sie sich selbst ein." Nur eine Uhrzeit ist fix. An die hat sich jeder zu halten: Jeden Tag um 12.30 Uhr wird in der Kantine zu Mittag gegessen.

Die Motivation spielt die tragende Rolle. So gibt es eine firmeneigene Sporthalle mit Fußball- und Volleyballfeld, einen Fitnessraum, eine Sauna, einen Fußballplatz draußen und dreimal in der Woche kommt ein Trainer ins Haus. "Das Angebot wird viel genutzt." Ziel ist es, eine Identität mit dem Betrieb herzustellen. "Deshalb fahren Mitarbeiter auch zu Fotoshootings mit oder wenn die Eröffnung eines neuen Showrooms irgendwo in der Welt ansteht." Die Hierarchie sei sehr flach, so Roeckner. Eben wie es in einem richtigen Familienbetrieb üblich.