Zentimeterdicke Schneedecke stellt schwedische Gäste vor große Probleme, weil sie nicht genug Futter finden können.

Lüneburg. Der erneute Wintereinbruch war von den Meteorologen ausgiebig angekündigt worden, die Unwetterwarnungen waren ununterbrochen zu hören und zu lesen. Tatsächlich legte sich gestern auch über die Region Lüneburg ab den Mittagsstunden eine mehrere Zentimeter dicke Schneedecke. Die winterliche Idylle hat aber auch ihre Tücken. Während wir Menschen in der Regel lediglich Probleme haben uns oder unsere Autos fortzubewegen, kann die weiße Pracht für so manches wildlebende Tier eine existenzielle Bedrohung bedeuten.

Insbesondere Kleinvögel wie der Zaunkönig, das Rotkehlchen oder die wenig bekannte und unscheinbare Heckenbraunelle könnten laut Frank Allmer vom Naturschutzbund (Nabu) in Lüneburg. bei der dicken geschlossenen Schneedecke Probleme bekommen, ausreichend Futter zu finden. Sie sind überwiegend Insekten- und Weichfresser, erklärt der Ornithologe.

Zwar sind Rotkehlchen sogenannte "Teilzieher", was bedeutet, dass unsere heimischen Exemplare derzeit bereits im Mittelmeerraum sind, um dort den Winter zu verbringen. Dafür wurden sie hier aber von ihren skandinavischen Artgenossen abgelöst. "Wir haben hier zurzeit relativ viele Rotkehlchen, die aus Schweden gekommen sind und die in der Lüneburger Gegend überwintern wollten", sagt Frank Allmer. "Die haben gehofft, dass es hier warm genug ist, und werden jetzt schwer erwischt."

Rotkehlchen sind sogenannte Weichfresser, die sich von Beeren und Insekten ernähren, während sich der Zaunkönig fast ausschließlich an Insekten hält. "Das alles finden sie normalerweise auf dem Boden", so der Vogelexperte. Wenn aber eine dicke Schneedecke liege, werde es schwierig - insbesondere für die Rotkehlchen, die hier eigentlich zu diesem Zeitpunkt mit etwas milderem Klima gerechnet hatten.

Gartenbesitzer können aber durchaus etwas tun, um die prekäre Situation der Singvögel etwas zu entschärfen. Am besten sei es, so Allmer, den Boden von Futterhäuschen von der Schneedecke zu befreien, und den Vögeln frisches Obst, Rosinen oder Haferflocken anzubieten - oder einfach sogenanntes "Weichfresserfutter" aus dem Handel.

Der strenge und lange Winter der vergangenen Saison hat insbesondere den Zaunkönigen stark zugesetzt. "Da haben wir einen deutlichen Rückgang bemerkt", sagt Allmer. Problematisch sei dies, weil Zaunkönige sich nicht so schnell wieder vermehren wie beispielsweise Eisvögel.

Der kleine Vogel, dessen Name ja eigentlich einen souveränen Umgang mit Eis und Schnee suggeriert, könne bei strengen Frostperioden und harten Wintern ebenfalls kurzfristig Probleme bekommen. Daher sei auch die Population im Landkreis momentan stark dezimiert. "Sie bekommen aber sehr viel Nachwuchs und regenerieren sich auf lange Sicht immer sehr schnell." Eisvögel gebe es an der Ilmenau seit 10 000 Jahren. "Da gab es bestimmt schon kältere Winter", so Allmer.

Entwarnung gibt es allerdings bislang für alle Wildarten. "Natürlich haben bei Schnee diejenigen Tiere Probleme, die ihre Nahrung auf dem Boden suchen - also alle Vegetarier", erklärt Henry Haase vom Niedersächsischen Forstamt Sellhorn. "Richtige Probleme bekämen die Wildtiere aber erst ab Schneelagen von rund einem Meter Höhe", so Haase.

Zehn bis zwanzig Zentimeter seien unproblematisch, da die Tiere die lockere Schneedecke leicht aufwühlen könnten - zumindest so lange, wie die Schneedecke nicht antaue und danach wieder festfriere. Wenn die Schneedecke dann verharscht sei, sähe es schon anders aus für Rehe und Wild, so Haase. Die Tiere hätten dann Schwierigkeiten, den Schnee wegzukratzen, das Verletzungsrisiko sei viel höher. In so einer Situation dürfe man die Wildtiere möglichst nicht beunruhigen.

Doch auch wenn manchem der Wintereinbruch jetzt dramatisch erscheinen mag - Henry Haase vom Niedersächsischen Forstamt beruhigt: "Wir haben derzeit absolut keine Notsituation. Den Wildtieren muss ganz sicher kein zusätzliches Futter hingestellt werden."