Weihnachtsgänse sind beliebt. Hochwertige Zucht braucht Zeit und kostet Geld

Thomasburg/Uelzen. Die Deutschen sind konservativ beim Weihnachtsessen. Rund ein Viertel liebt es schlicht mit Kartoffelsalat und Würstchen. Doch viele schwören auf die vollendet gegarte Gans aus Ofen oder Bräter. Da ist es wichtig, auf die Herkunft zu achten.

Eine Reise durch die Dörfer des Landkreises lenkt seit Monaten den Blick allerorten auf kleine und größere Gänseherden. Und weil Schwimmvögel es nicht mögen, auf dem Trockenen zu sitzen, findet sich auf jeder Gänsewiese ein Weiher.

So auch bei Karin H. Die 70-jährige Bäuerin aus der Gemeinde Thomasburg holt sich seit Jahren im Sommer 50 bis 70 Gössel auf den Hof und zieht sie groß. Die Kundschaft ist ihr treu. "Ich mag Gänse über alles. Sie sind pflegeleicht, intelligent, witzig und passen gut auf," sagt die allein stehende Frau.

Die wohl berühmteste Geschichte über die Wachsamkeit des Federviehs erzählt der römische Geschichtsschreiber Livius. Danach verhinderten 387 v. Chr. die Tiere durch ihr aufmerksames Geschnatter die Eroberung des römischen Kapitols.

Wer die Maßstäbe von Tierschützern anlegt, kommt zu dem Ergebnis, dass die Thomasburger Gänse privilegiert leben. Mindestens 20 Wochen beträgt das Leben der Biogänse. Baden und Gründeln kostet Zeit - Zeit, die sich Biogänse nehmen können. Denn ein schnelles Erreichen des Schlachtgewichtes in möglich kurzer Zeit ist bei Biobauern nicht angesagt. Im Vergleich: Gänse aus intensiver konventioneller Mast werden nach nur zehn Wochen geschlachtet.

Gänse sind Pflanzenfresser. Neben dem Grün der Wiesen knabbert das Thomasburger Federvieh an Möhren, Kürbisfleisch und Roter Beete. Und ganz verrückt sind sie auf Äpfel. Fällt einer vom Baum, jagen die Tiere mit schlagenden Flügeln hin zum Fallobst und streiten sich um die Beute. Die Zeit der Zufütterung beginnt erst vier bis sechs Wochen vor Weihnachten.

Ein ähnlich reichhaltiges Leben führen die Gänse auf dem Elbers Hof in Nettelkamp bei Uelzen, einem Demeter-Betrieb. Landwirt Ulrich Elbers hält auf knapp zehn Hektar Weideland 1000 Biogänse. Alle Tiere werden ausschließlich im Freien gehalten und bewegen sich viel, ein Garant für stabile Gesundheit und festes Faserfleisch. Der Anblick der prachtvollen Tier lässt Gänsehalter Elbers schwärmen. "Gänse sind majestätisch in ihrem Auftreten und ihrer Bewegung. Enten dagegen sind eher träge und einfältig."

Ende Mai bezog Elbers seine Jungtiere. "Die Gössel werden von uns gehegt und gepflegt und dann auf die Weiden entlassen." Sie benötigen anspruchsvolles Futter mit einem hochwertigen Eiweißanteil. Im Sommer ernähren sie sich vom Grün, seit kurzem erhalten auch sie als Zusatzfutter Getreideschrot und Erbsen.

Die Weidemast dauert besonders lange - mehr als fünf Monate. Trotz einer Verdoppelung der Mastdauer gegenüber der Intensivmast, wird lediglich ein Gewichtszuwachs von cirka 20 Prozent erzielt. "Beste Qualität nimmt eben viel Zeit in Anspruch", so Landwirt Elbers. Und hat ihren Preis. Ein Kilo Gans von Bäuerin Karin kostet neun Euro, das Kilo Demeter-Gans bis zu 18 Euro, die tief gefrorene schwachbrüstige Mastgans aus Osteuropa 3,50 Euro pro Kilo beim Discounter.

Nur 15 Prozent der in Deutschland verzehrten Gänse sind einheimisch. Der Großteil wird in die Schweiz und Österreich importiert. Polen, Frankreich und Ungarn zählen zu den Haupterzeugern von Gänsefleisch.

Es ist bekannt, dass diese Tiere meist im Stall gehalten und intensiv gefüttert werden. Nicht nur das Alter und die Art der Haltung beeinflussen die Qualität einer Martins- oder Weihnachtsgans. Die Mast entscheidet maßgeblich über den Geschmack des Fleisches.

Wenn endlich am Festtag die Gänse im Ofen brutzeln macht sich das bei den örtlichen Stromversorgern bemerkbar. Sie sorgen dafür, dass Millionen Haushalte - traditionell vor allem im süddeutschen Raum - den Braten nicht nur riechen, sondern anschließend auch genießen können. Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) steigt der Stromverbrauch zur Weihnachtszeit in deutschen Haushalten um rund ein Drittel.

Als Hauptursache macht der BDEW tatsächlich den Gänsebraten aus. Allein am ersten Weihnachtsfeiertag schnellt der Energiebedarf der rund 40 Millionen Haushalte um etwa 120 auf 480 Millionen Kilowattstunden. Dies entspricht der Leistung eines großen Kohlekraftwerks. Nach der Gänsebraten-Spitze normalisiere sich der Verbrauch anschließend wieder.