Mehrheitsgruppe im Stadtrat will offene Ganztagsbetreuung an allen Grundschulen. Streitpunkt ist die Qualität

Lüneburg. Die Mehrheitsgruppe in der Lüneburger Kommunalpolitik fordert, dass alle Lüneburger Grundschulen zu Ganztagsschulen werden. Welche Schule noch keinen Antrag dafür gestellt hat, wird aufgefordert, es nachzuholen. Doch etliche Schulleiter zögern mit der Antragstellung, weil sie die Bedingungen als unzureichend kritisieren.

"Mit der Mehrheit des Rats haben wir den Beschluss gefasst, dass alle Lüneburger Grundschulen in Ganztagsschulen umgewandelt werden sollen", sagt SPD-Schulexpertin Hiltrud Lotze. Und Fraktionschef Heiko Dörbaum sagt: "Das ist der beste Weg, um Bildung und Betreuung zu gewährleisten." Dörbaum sagt weiter, "aus politischer Sicht" seien "alle elf Schulen auf dem Weg, Ganztagsschule zu werden". Und: "Wir gehen davon aus, dass die Anträge zeitnah gestellt werden."

Doch davon kann keine Rede sein. Tatsächlich gibt es in der Hansestadt erst zwei Grundschulen, die bereits Ganztagsschule sind: die Anne-Frank-Schule und die Grundschule Im Roten Felde. Die St.-Ursula-Schule hat den Antrag gestellt, die Igelschule eine Absichtserklärung abgegeben.

Bei den übrigen Schulen herrscht im Gegensatz zur Politik Zögern. Grund sind die Bedingungen, unter denen die Schulen zu Ganztagsschulen werden sollen. Außerdem bieten betroffene Schulen bereits Betreuung am Nachmittag an - und das in einem größeren Umfang, als es aktuell bei einer offenen Ganztagsschule vorgesehen ist.

Denn offene Ganztagsschulen bieten Betreuung an zwei Nachmittagen in der Woche an, die freiwillig ist. Zusätzliche Lehrerstunden erhält die Schule dafür nicht. Die bestehenden Angebote einiger Lüneburger Schulen gehen darüber hinaus, gelten für fünf Tage in der Woche. Allerdings müssen die Eltern dafür bezahlen - anders als bei einer offenen Ganztagsschule. Und nur ein Bruchteil der Schüler kann die Angebote wahrnehmen, weil die Plätze begrenzt sind.

Michael Bromm, Leiter der Grundschule Hasenburger Berg, hat noch keinen Antrag auf Ganztagsschule gestellt. "Wir haben durch die Kooperation mit dem Verein ,Die Rübe' derzeit ein wirklich gutes Angebot am Nachmittag", sagt er. "Leider nicht für alle, die das wünschen. Dazu fehlen die Voraussetzungen, besonders räumlich."

Von den 360 Kindern des Hasenburger Bergs nutzen fast 50 das Nachmittagsangebot. Zara Klingenberg vom Verein "Die Rübe" betreut sie mit ihren drei Kolleginnen und Kollegen in zwei Gruppen à 20 Kindern. "Zunächst gibt es ein gemeinsames Mittagessen, dann wird draußen gespielt", berichtet die Erzieherin. "Anschließend werden Hausaufgaben gemacht." Die Betreuung dauert bis maximal 16.30 Uhr und gilt auch für die Ferien. Alle Betreuer sind ausgebildete Erzieher und Sozialpädagogen.

"Wir wollen diese Arbeit weiter entwickeln", sagt Schulleiter Bromm. "Mit den Mitteln, die für die offene Ganztagsschule von Land und Stadt verfügbar wären, könnten wir nur ein reduziertes Angebot machen."

Ähnlich äußert sich Rektor Rolf Tiede von der Grundschule Lüne mit 260 Schülern. Eine offene Ganztagsschule biete "nicht die Qualität, die unsere Gremien gerne hätten". Die Entscheidung liege nicht beim Schulleiter, sondern der Gesamtkonferenz oder dem Schulvorstand. Und diese Gremien hätten den Antrag auf eine offene Ganztagsschule in Lüne bisher abgelehnt.

Anders als den Antrag auf eine echte Ganztagsschule: Seit acht Jahren besteht laut Tiede der Beschluss der Lüner Gesamtkonferenz, Ganztagsschule werden zu wollen - aber verpflichtend und an fünf Tagen die Woche und nicht offen und bloß an zwei Tagen. "Wir wollen Kindern und Eltern ein qualitativ hochwertiges Bildungs- und Betreuungsangebot machen - auch nachmittags. Doch dazu bräuchten wir eine bessere personelle Ausstattung, und die wird vom Land derzeit nicht gewährt."

Die Grundschule bietet dafür in Zusammenarbeit mit dem Träger "PädIn" eine tägliche Betreuung in zwei Gruppen von 13 bis 16 Uhr inklusive Mittagessen aus eigener Küche sowie Nachmittagskurse wie Flöten, Englisch, Kochen und Plattdeutsch.

Auch Barbara Geck, Leiterin der Heiligengeistschule mit 230 Schülern, hat keinen Antrag auf Ganztagsschule gestellt. "Das Problem ist die Ressource", sagt die Pädagogin. An den meisten Grundschulen seien hortähnliche Einrichtungen angeschlossen für Ümi- (über Mittag) und Nachmittag-Betreuung, an der Heiligengeistschule organisiert das der Elternverein. Bis 16 Uhr, auch in den Ferien, werden dort 30 Kinder von Erziehern betreut, bezahlt aus Elternbeiträgen und städtischen Zuschüssen. Es gibt Wartelisten.

Das Problem: "Unter einer vernünftigen Ganztagsschule stelle ich mir vor, dass sie an mindestens vier Tagen die Woche und verpflichtend stattfindet", sagt Geck, die Vorsitzende des Netzwerks Lüneburger Grundschulrektoren ist. Eine Betreuung an zwei Nachmittagen nütze Eltern nichts, die an fünf Tagen arbeiten.

Zudem habe sich die Elternschaft ihrer Schule gegen das aktuelle Ganztagsschulmodell ausgesprochen, sagt Geck: "Sie fordern eine bessere Betreuung." Ihr Fazit: "Wir würden es gern machen, aber nicht mit diesem abgespeckten Programm."

Das Netzwerk der Grundschulleiter erarbeite in den nächsten Monaten eine Stellungnahme zu dem Thema, in die auch die Eltern mit einbezogen werden sollen. Doch schon jetzt weiß Geck von ihren Kollegen: "Alle sehen darin eine große Problematik und dass mehr Ressourcen nötig wären."

Hiltrud Lotze von der SPD besteht trotzdem auf dem Modell Ganztagsschule - "wohl wissend, dass es im Moment nur als offene Ganztagsschule möglich ist". Man sehe die Nachfrage der Eltern, und Betreuungen wie in den beschriebenen Fällen seien "kein Ganztagsschulkonzept" und nicht das, was die SPD mit Ganztagsschule meine. Lotze: "Der Antrag hat eine qualitativ andere Bedeutung." Sie fordert ein "verlässliches" Angebot. "Wir sehen das aus dem Blickwinkel der Politik. Und da liegt die Zukunft in der Ganztagsschulbetreuung." Die offene Ganztagsschule sei "ein Vehikel auf dem Weg, echte Ganztagsschulen zu erreichen - und ein Signal an die Landesschulbehörde".

Auch der Niedersächsische Städtetag sieht die Notwendigkeit von besserer Ausstattung durch das Land. Nach der jüngsten Sitzung hat der Präsident Frank Klingebiel das Land dazu aufgefordert, mehr Mittel für zusätzliche Lehrerstunden für Ganztagsschulen zur Verfügung zu stellen.