Die Stimmung vor dem nächsten Castor-Transport ist aufgeladen. Da braucht es Schlichter wie Henry Schwier

Lüneburg. Am 5. November wird ein neuer Castor-Transport von der französischen Wiederaufbereitungsanlage in La Hague/Frankreich in Richtung Wendland starten und dort voraussichtlich am 7. November eintreffen. Aller Voraussicht nach wird dieser Transfer deutlich mehr Menschen als in den Jahren zuvor an die Strecke treiben, um dort gegen die vielen ungelösten Fragen der Endlagerung von strahlenden Atomabfällen zu protestieren.

"Davon gehe ich auch aus", sagt Henry Schwier: "Schon bei den ersten Aktionen in Lüneburg waren mehr Menschen dabei als in den Vorjahren. Das waren Leute, die man sonst nicht unbedingt auf Demonstrationen sieht, beispielsweise Familienväter oder Menschen der Generation fünfzig plus." Dass das Atompaket trotz zuvor ausgehandeltem Kompromiss zum Ausstieg wieder aufgeschnürt worden sei, wecke Empörung und Misstrauen bei den Menschen.

Schwier ist Diplom-Religionspädagoge und Diakon, und seit 2004 Koordinator für Castorfragen im Kirchenkreis Lüneburg. Gemeinsam mit sieben weiteren Seelsorgern aus der Region wird er die Proteste in Lüneburg auch diesmal wieder freiwillig begleiten.

Ihre ersten Einsätze haben sie schon hinter sich - bei den Montagsdemonstrationen, die derzeit wöchentlich als Mahnwache vor dem Lüneburger Rathaus stattfinden. "Bei den Protestveranstaltungen vermitteln wir, wir fungieren als Botschafter und Helfer im Einzelfall, beispielsweise wenn jemand unversehens in eine Demo hinein gerät. Sowohl die Polizei als auch die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg erkennen unsere Arbeit an." Weil die Seelsorger unabhängig seien, also weder zu den Konfliktmanagern der Polizei, noch Abgesandte der "BI" seien, erklärt Henry Schwier.

Intern bereiten sich die Freiwilligen aus dem Kirchenkreis durch Gespräche über Stressbewältigung und Konfliktmanagement im kleinen Kreis auf ihren Einsatz vor. "Es geht immer darum, im Einzelfall Wege für eine Vermittlung und Verständigung zu suchen. Präsent sein, wenn beide Seiten sich frontal und scheinbar unversöhnlich gegenüber stehen - beispielsweise bei Einkesselungen - das ist unser Ziel", sagt Schwier. Über das Geschehen schreiben die Seelsorger anschließend Berichte: "Die werden von der BI und der Polizei aufmerksam gelesen."

Die Zuständigkeit der Seelsorger aus Lüneburg bei Protestveranstaltungen endet übrigens in der Regel an der Grenze des Kirchenkreises. "In den Kirchenkreisen Bleckede und Hitzacker übernehmen die Kollegen, die dort tätig sind. Wir alle sorgen allerdings ortsübergreifend für Vertretungen bei Tätigkeiten in der Gemeinde: Wenn jemand im Gottesdienst oder bei einer Beerdigung in Hitzacker fehlt, weil er den Castor begleitet, kann es durchaus sein, dass sein Vertreter aus Lüneburg kommt" weiß Schwier.

Doch warum stellen sich die Seelsorger dieser schwierigen und oft heiklen Mission, die bestimmt nicht zum normalen Berufsalltag eines Pastors oder eines Diakons gehört? "Meine Motivation besteht vor allem darin, zu helfen und Frieden zu stiften. Der Protest muss gewaltfrei sein, damit man seine Botschaft auch hört. Und natürlich geht es uns auch darum, die Schöpfung zu bewahren", sagt Schwier.