Festival “Neue Musik“ lässt ein breites Spektrum musikalischer Stile und Techniken zu. Am Sonnabend Flötenmarathon im Glockenhaus

Lüneburg. Im aktuellen Programmheft des 36. Festivals "Neue Musik Lüneburg" grüßt freundlich Oberbürgermeister Ulrich Mädge. Er weist auf den Stellenwert der zeitgenössischen Musik in Lüneburg hin, spricht von interessanten Hörerlebnissen und musikalischen Horizonten. Zur Eröffnung jedoch fehlten Vertreter der Stadt, der offiziellen Veranstalterin des Festivals. Spontan richtete FDP-Ratsfrau Birte Schellmann Grußworte an das überschaubare Publikum. An die 50 Besucher waren es, darunter zweifellos die Lüneburger Fangemeinde neuer Musik als auch neugierige Bürger.

Es gab Zeiten, da hätten Anhänger der Neuen Musik die traditionelle klassische Musik am liebsten zu Grabe getragen. Gerade nach 1945 wollte man die Musik neu ersinnen. Aus der Zeit der Studentenbewegung, als man unter den Talaren den elitären Muff von 1000 Jahren hinwegfegen wollte, stammt die oft zitierte Forderung des französischen Dirigenten und Komponisten Pierre Boulez, man solle doch alle Opernhäuser in die Luft sprengen.

All das zeigt, dass die Neue Musik keineswegs in geschützten Tonstudios irgendwelcher Kompositionsseminare ihr Klangsüppchen kochte, sondern stets eng verbunden mit den gesellschaftlichen Entwicklungen war - und noch immer ist.

"In der Neuen Musik ist alles erlaubt. Live-Elektronik, traditionelles Orchester, Klanginstallation und klassisches Konzert - alles besteht nebeneinander", sagt Klaus-Dieter Meier-Kybranz. Der 48-jährige Adendorfer Musiklehrer assistiert seit mehr als 20 Jahren dem Komponisten, Musiker, Lehrbeauftragten und Leiter des Fortbildungszentrums für Neue Musik in Lüneburg, Professor Helmut Erdmann. Beide organisieren das jährliche Festival in er Salzstadt.

Wie der Meister, so komponiert und interpretiert auch Meier-Kybranz. Den experimentellen Einstieg in die freie Kompositionstechnik nahm er als Jugendlicher im Kurs "Schüler komponieren" der Musikschule Lüneburg. "Ich hab kleine Klangprozesse produziert und sie in einem Collage ähnlichen Stil zusammengefügt." Dabei muss nicht unbedingt ein Instrument zum Einsatz kommen. Wenn doch, dann würden Instrumente in der Neue Musik anders eingesetzt, erklärt der Komponist: "Dabei kommt dabei darauf an, ein breites Klangspektrum zu erzeugen und damit zu spielen."

Wie die Violinistin Barbara Lüneburg, die auf dem Eröffnungskonzert den Geigenbogen mit der Fernbedienung einer Nintendo Spielkonsole bestückte. Das drahtlose Gerät registriert die Position des Bogens und kann sie ohne merkliche Verzögerung an eine Software übermitteln, die dann die Anweisungen interpretiert.

Wird der Adendorfer Meier-Kybranz kreativ, dann in dem 1977 gegründeten Fortbildungszentrum An der Münze 7. Die ersten technischen Geräte waren ein Tonband, ein Mischpult und eine handelsübliche Stereo-Anlage. Seitdem ist das Equipment wie auch die Gesamtfläche des Zentrums gewachsen. Auf 300 Quadratmetern sind neben einem Analog- und Digital-Studio unter anderem Arbeitsräume, Archiv, Bibliothek und Büro unterbracht. Mit Synthesizer, Mischpult, Effektgeräten, Computern und Video-Beamern findet selbst ein Neuling auf dem Gebiet einen einfachen Zugang zur Neuen Musik. "Das Zentrum steht Laien und Profis zur Verfügung", sagt Meier-Kybranz, der Wochenendseminare zum Komponieren nutzt.

Das Lüneburger Festival ist zweifellos von überregionaler Bedeutung. "Die hochkarätigen Komponisten allerdings haben wir nicht zu bieten. Bei uns geht es nicht darum, gesehen zu werden, sondern um die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Strömungen und der Elektronik", so Meier-Kybranz. Das Festival der Neuen Musik in Lüneburg endet Sonnabend mit einem Flöten-Marathon von Helmut Erdmann im Glockenhaus.