Auf dem Land sind kleine Geschäfte mit Waren des täglichen Bedarfs wieder gefragt

Wendisch Evern. Die einen gehen einkaufen, andere müssen fahren. So auch die Einwohner von Wendisch Evern. Für jedes Brötchen, jedes Pfund Zucker und jede Rolle Klopapier müssen sie ins Auto steigen und in den Nachbarort brausen. Denn in Wendisch Evern selbst, gibt es schon seit Jahren keine Einkaufsmöglichkeit mehr. Ein Problem vor allem für den eingeschränkt mobilen Teil der Bewohner: Alte, Kinder, Bedürftige.

Das zu ändern, haben sich Bürgermeister Rainer Leppel (SPD) und Meinhard Perschel, CDU-Ratherr im Lüneburger Kreistag, fest vorgenommen. Zwar glänzt der Ort in der Samtgemeinde Ostheide mit hübschen Vorgärten, adretten Häusern und blitzsauberen Straßen. Alles andere jedoch fehlt: eine Sparkassenfiliale, die Post, eine Gaststätte, ein Tante Emma Laden.

"Geblieben sind zwei Briefkästen und als Kommunikationsort der Friedhof", sagt Meinhard Perschel, selbst Bürger von Wendisch Evern. Kurios: Trotz mangelhafter Grundversorgung wächst das Dorf sogar. Deshalb sei es höchste Zeit zu handeln, so Perschel.

Die Infrastruktur nachhaltig zu verbessern, sei von zentraler Bedeutung. Sie ermöglicht älteren Menschen, in ihrem Dorf alt zu werden und sich selbstständig zu versorgen. Dorfläden sind ebenso wie Kindergärten und Schulen ein wichtiges Kriterium für die Lebensqualität in einer Kommune.

Den Dorfläden kommt dabei eine besondere Rolle zu. Sie sind mehr als nur Einkaufsstätten, sie sind Orte der Begegnung und der Kommunikation. Doch ist der Einzelhandel in kleineren Kommunen rückläufig.

Wie wichtig so ein kleiner Dorfladen sein kann, zeigt sich in Echem. Seit drei Jahren betreibt Gudrun Staschat in der Bäckerstraße einen Krämerladen. Hier gibt es vieles, was man im täglichen Einkaufsstress schnell mal vergisst: Zucker, Milch, Pralinen, Trauerkarten, Waschmittel, Sauerfleisch, Kuchen, Brot und Brötchen, Süßes, Herzhaftes und allerlei mehr. 2007 übernahm die 52-jährige Hohnstorferin das verlassene Ladenlokal im Ortskern.

"Ich habe mit wenig angefangen", sagt die ehemalige Kassiererin eines Discounters in Lüneburg. In Echem wollte sie es langsam angehen. Abwarten, was die Leute mögen. Staschat schaffte auch ein Bügelbrett an, um sich mit Bügeln ein zweites finanzielles Standbein für die schwächer ausgelastete Zeit am Nachmittag zu schaffen. Doch am Eröffnungstag waren Brötchen, Brot und Kuchen bereits um sieben Uhr ausverkauft, so dass ich nachbestellen mussten."

Inzwischen floriert der konkurrenzlose Laden. Allein am vergangenen Sonnabend registrierte Gudrun Staschat 179 Kunden, Sonntagmorgen verkaufte sie 550 Brötchen. Auch wochentags brummt es im Krämerladen. Mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß kommen die Kunden. Sie springen auf einen Kaffee hinein, bestellen eine Mettwurst oder ein Schweinefilet fürs Wochenende, decken sich mit Waren des täglichen Bedarfs ein. Die sind nicht so teuer wie bei der Tankstelle, aber auch nicht so billig wie beim Discounter. Doch dafür sparen die Dorfbewohner Spritgeld oder andere Fahrtkosten.

"Der Dorfladen macht das Leben in Echem leichter", sagt eine Bürgerin. Eine andere schwärmt von der Zuverlässigkeit der Inhaberin: "Sie besorgt alles. Frage ich morgens nach Tintenkillern für die Kinder - nachmittags sind sie da." Uwe Schmidt aus der Nachbarschaft schätzt das Lädchen vor allem als kommunikativen Treffpunkt, wo viele Leute aus dem Dorf gern ihr zweites Frühstück einnehmen.

Auch die Kinder des Dorfes lieben ihre "Bäckersfrau". Bei ihr üben sie das Einkaufen. Sie erwerben Brausebonbons und Eis, holen die Sonntagsbrötchen oder wechseln Geld für den Kaugummiautomaten. "Wo sollen sie das heute noch lernen, wenn nur noch Discounter angefahren werden?", fragt Gudrun Staschat. Sie arbeitet viel und das mit Freude. 46 Stunden sind es mindestens, die sie pro Woche im Laden verbringt. Hat ihre Aushilfe Urlaub, kommen weitere zehn dazu. So viel Zuspruch hätte sie nie erwartet.

Rainer Leppel und Meinhard Perschel haben vieles versucht, auch Supermarktbetreiber aus Nachbarorten angesprochen. Dabei mussten sie erfahren, "dass Ortschaften unter 2000 Einwohnern als Standort für die großen Supermarktketten nicht interessant sind", sagt Bürgermeister Leppel. Die gebe es halt in Lüneburg, dem benachbarten Barendorf und Deutsch Evern.

Seit Generationen waren die Dörfer Niedersachsens geprägt von Eigenständigkeit in ihrer Grundversorgung. Vom Rückzug des Einzelhandels aus dem ländlichen Raum sind inzwischen acht Millionen Menschen betroffen. Die Kilometerzahl für Einkaufsfahrten verdoppelte sich von 1982 zu 2002 von 219 auf 444 Millionen Kilometer. Dies geht aus einer 2005 veröffentlichten Studie des Berliner Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) hervor. Eine Alternative zu den selbstständig geführten Dorfläden sind die in Niedersachsen geförderten gemeinschaftlich betriebenen Läden, die sogenannten Nachbarschaftsläden. Auch das können sich Rainer Leppel und Meinhard Perschel für Wendisch Evern vorstellen.