Lüneburger Rundschau begleitet Maurer-Lehrling seit einem Jahr

Lüneburg. Ruhig geht es zu auf der Baustelle am Marktplatz in Scharnebeck - noch. Hier, mitten im Ort, soll bis zum Frühjahr ein Neubau für eine Apotheke mit angrenzender Arztpraxis entstehen. Im Moment laufen die Arbeiten für das Fundament. Vom Rohbau, der hier bald schon stehen soll, ist noch nichts zu sehen.

Dann wird es doch noch kurz laut. Jascha Stein, Maurer-Lehrling im dritten Berufsjahr, sägt mit einer kleinen Handkreissäge ein Stück einer Verschalungslatte ab, die offenbar noch zu lang ist, um in die für sie vorgesehene Lücke zu passen. Das sperrige Holzbrett hat er dabei zwischen seine Beine geklemmt.

Günther Quardon, sein Chef sieht ihm stirnrunzelnd zu. "Da sieht man gleich wieder, dass er eigentlich gar nichts gelernt hat." Quardon meint das ironisch, aber sein Blick bleibt ernst. "Da muss man ja schon Angst um die Beine haben", sorgt sich der Chef. Als Jascha fertig ist, ermahnt Quardon ihn, fragt ihn, was er gerade hätte anders machen müssen. Eine leichte Ungeduld schwingt in seiner Stimme mit.

"Es fällt manchmal schon schwer, die Jungs über einen längeren Zeitraum für die Arbeitsabläufe zu motivieren", erzählt Quardon. "An manchen Tagen muss man sie immer wieder wachrütteln. Aber so geht es uns ja allen hin und wieder." Günter Quardon ist Chef der Q-Bau GmbH, einem Lüneburger Bauunternehmen, das derzeit neben der Apotheke in Scharnebeck einige weitere Projekte in und um Lüneburg realisiert. Die "Jungs", das sind seine Auszubildenden. Sechs beschäftigt der Bauunternehmer insgesamt - drei von ihnen sind seit einem guten Jahr im Unternehmen tätig, drei haben gerade vor einem Monat angefangen.

Zufrieden ist Quardon mit allen von ihnen. "Die meisten meiner Kollegen jammern immer, die Azubis seien so schlecht heutzutage, aber das sehe ich nicht so. Schließlich klagt doch jede Generation über schlechte Kinder." Der Mittelständler sieht viel eher ein anderes Problem für sein Handwerk: "Auf der Berufsfachschule gibt es im Moment acht oder zehn Lehrlinge für unsere Branche für den ganzen Landkreis." Stellen gäbe es aber sicherlich für mehr Bewerber.

Vor gut einem Jahr hat Jascha Stein seine Lehrlingszeit bei Q-Bau begonnen, zusammen mit zwei Kollegen. Inzwischen gehört er zu den alten Hasen. Schon damals, Anfang August 2009, war der heute 22-jährige Lüneburger aber schon nicht ganz unerfahren: Während seines ersten Jahres an der Berufsfachschule hatte er schon ein Praktikum in dem Unternehmen gemacht. Fast alle Lehrlinge kommen über diesen Weg in die Lüneburger Bau-Firma.

Damals war er voller Vorfreude auf den Job, versprach sich eine Menge Abwechslung im Hinblick auf seine Arbeitseinsätze. Jetzt hat sein zweites Jahr bei seinem aktuellen Arbeitsgeber begonnen - sein drittes Lehrjahr. Zwar hat Jascha seine positive Einstellung nicht verloren. Aber fragt man ihn heute, ob ihm die Arbeit noch immer soviel Spaß wie vor einem Jahr mache, fällt die Antwort schon etwas zögerlicher und gedämpfter, vielleicht auch einfach etwas reflektierter aus.

Denn jetzt, da die Temperaturen langsam sinken und die Niederschläge wieder zunehmen, kehren die Erinnerungen an die kalte und harte Jahreszeit zurück. Die steckt dem jungen Lehrling offenbar noch immer in den Knochen: "Seit letztem Winter bin ich abends immer tierisch kaputt", erzählt Jascha. Den ganzen Tag in einer kalten und oft feuchten Umgebung körperlich arbeiten - das zehrt auf Dauer an der Kondition. Abends mit den Kumpels ausgehen ist für Jascha mittlerweile nur noch selten drin.

Hinzu kommt die Pflicht zur - für Maurer so sprichwörtlichen - Pünktlichkeit. Jeden Morgen um 5.45 Uhr klingelt Jaschas Wecker. Manchmal, wenn er auf einer Baustelle in der Stadt eingeteilt ist und keinen weiten Arbeitsweg hat, gönnt er sich 15 Minuten mehr Schlaf. "Mittlerweile bin ich meist schon vor dem Klingeln wach", sagt Jascha und klingt dabei, als ärgere er sich ein wenig darüber. Die innere Uhr tickt nach 13 Monaten im Job eben zuverlässig - und hält auch im Urlaub nicht an: "Da brauche ich immer ein paar Tage, bis ich nicht mehr um sechs aufwache."

Der Lohn für die körperliche Anstrengung sind für ihn - neben dem Geld - Anerkennung und Vertrauen seitens der Kollegen. Denn jetzt, da er nicht mehr zu den neuesten im Team gehört, hat er sich einen gewissen Stand in der Mannschaft "auf dem Bau" erarbeitet. Viele Aufgaben erledigt er allein, die Baumaschinen darf er ohnehin alle seit langem bedienen - vom Bohrer bis zum Kran.

Jascha will auf jeden Fall weitermachen. Auch nach einem Jahr macht ihm der Job noch immer Freude. Wenn er im kommenden Jahr seine Gesellenprüfung abgelegt hat, will er die Meisterprüfung hinterher schieben. "Mal schauen, vielleicht arbeite ich auch erst mal ein bisschen", sagt er. Auch ein Ingenieursstudium schwebt dem 22-Jährigen vor, "je nachdem, das muss ich dann mal schauen."

Dass er jetzt nicht mehr das letzte Glied in der Kette ist, ist jedenfalls schon einmal eine Menge Wert: Als die neuen Auszubildenden vor einigen Wochen in den Betrieb kamen, hat jeder der erfahrenen Lehrlinge einen "Neuling" für eine Woche zugewiesen bekommen - zur Einweisung. "Das ist ja klar, dass wir die Scheißarbeit dann erst mal abgeben", lacht Jascha. Auf dem Bau ist es eben wie überall.