Schulleiter in Bleckede fordern Hilfen für aggressive Kinder. Doch die ist für Grundschulen schwer zu bekommen

Bleckede. Aggressives Verhalten von Kindern gehört heute in Tagesstätten und Schulen beinahe zum Alltag. Vor allem in der Stadt wird dieses Phänomen festgestellt. Doch auch auf dem Land wird es immer augenfälliger. Bereits seit einigen Jahren häufen sich in der Stadt Bleckede die Vorfälle mit verhaltensauffälligen Kindern. Die Lehrer fordern sozialpädagogische Hilfe. Doch die ist nicht einfach zu bekommen.

In der Grundschule Barskamp wurden zwei Lehrer von einem Schüler mit Tritten verletzt, in der Elbtal Grundschule verletzte ein Erstklässler innerhalb von Minuten sieben Mitschüler, ein Kleinkind musste wegen seines aggressiven Verhaltens aus der Krippe genommen werden. Andere Grundschüler lassen ihre Wut an Gegenständen aus oder stören den Unterricht durch hin- und herlaufen im Klassenraum oder schreien.

Situationen, in denen Kinder massiv den Unterricht stören oder ihre Mitschüler traktieren, können Lehrer meist nur auf eine Weise lösen. "Wir benachrichtigen die Eltern, damit das Kind abgeholt wird", sagt Ursula Struzina-Tiggemann, Leiterin der Elbtal Grundschule, "wenn keiner sofort kommen kann, sitzt das Kind so lange in meinem Büro."

Das sei jedoch nicht die Lösung des Problems. "In solchen Fällen wäre ein Sozialpädagoge hilfreich, der die Kinder wieder runter bringt und zwischen ihnen, den Eltern, Lehrern und dem Jugendamt vermittelt", sagt Struzina-Tiggemann. Auch die Rektorin der Grundschule Barskamp, Petra von Grabe, wäre über eine solche Hilfe froh: "Für die Kinder wäre das eine ganz andere Anlaufstelle als ein Lehrer, dort schaut niemand auf die Leistungen und Einzelgespräche sind auch während der Unterrichtszeit möglich." Zudem seien sich einige Kinder ihrer Aggressivität bewusst, würden merken, dass an bestimmten Punkten eine große Wut über sie kommt. "Ein Sozialpädagoge könnte mit ihnen Methoden entwickeln, damit sie sich in solchen Situationen selbst runterkühlen können", sagt von Grabe.

Ein solcher Vermittler stehe jedoch nur den weiterführenden Schulen zu. "Dabei müssen die Hilfen viel früher greifen, am besten schon im Kindergarten", ist Ursula Struzina-Tiggemann überzeugt, "denn die betreuten Kinder werden immer jünger, die Erziehungsprobleme früher sichtbar."

Bisher arbeiten beide Grundschulen bei Verhaltensauffälligkeiten eng mit dem Sozialraumteam des Albert-Schweitzer-Familienwerks und den drei Mitarbeitern des Lüneburger Beratungs- und Unterstützungssystems - emotionale und soziale Entwicklung (Lübus) zusammen. Mitarbeiter einer der beiden Einrichtungen können von Lehrern und Eltern gerufen werden und einen Hilfeplan erstellen. "Wir haben eine gute Kooperation mit den Grundschulen der Stadt Bleckede", sagt Britta von Bodungen vom Sozialraumteam, "aber wir sind nicht nur für die Grundschulen zuständig, sondern für die ganze Stadt Bleckede."

Bereits als Struzina-Tiggemann 2007 an die Elbtal Grundschule kam, häuften sich die Vorfälle. Daraufhin sprach die Rektorin das Thema in der Sozialraumkonferenz an. In der Bleckeder Sozialraumkonferenz beraten sich alle Einrichtungen, die mit Jugendlichen arbeiten. Dazu zählen Schulen, Kindergärten, das Albert-Schweitzer-Familienwerk, aber auch der Landkreis, die Stadtverwaltung und die Polizei. Zurzeit forscht das Jugendamt des Landkreises nach den Ursachen für die Häufung von verhaltensauffälligen Kindern. "Für die vielen verhaltensauffälligen Kinder gibt es mehrere Thesen", sagt der Erste Kreisrat, Jürgen Krumböhmer. "Es könnte beispielsweise daran liegen, dass es in Bleckede viele Pflegefamilien und Kleinstheime gibt." Kleinstheime sind Familien mit über vier bis sieben Pflegekindern und Angestellten. Gerhard Bothmann, Leiter der Bleckeder Förderschule, sagt: "25 Prozent unserer Schüler kommen aus Pflegefamilien."

Doch Rektorin von Grabe betont, dass es sich bei den auffälligen Kindern nicht nur um Pflegekinder handele. Auf die Grundschule Barskamp gehen viele Kinder aus dem Kinderdorf des Albert-Schweitzer-Familienwerks, mit dem bestehe eine gute Kooperation, die Kinder bekämen dort viele Hilfen.

"Weitere Thesen sind zum Beispiel, dass in Bleckede der Wohnraum besonders günstig ist oder dass es besonders viele Leistungsbezieher gibt", sagt Krumböhmer. Er betont, dass es sich dabei nur um Vermutungen handelt. Überprüft wurden diese Thesen bislang nicht. Das sei auch nicht so schnell möglich, die Arbeit des Jugendamts werde dadurch erschwert, dass sich manche Annahmen kaum durch eine sichere Datenbasis belegen ließen.

"Wir wollen das Problem natürlich lieber frühzeitig erkennen und beheben, als später Jugendliche zu haben, die echte Problemfälle für ihre Umwelt sind", sagt Jens Böther, Bürgermeister der Stadt Bleckede, "aber wir müssen es ganzheitlich betrachten und nicht nur auf vier Stunden am Vormittag begrenzen, sonst setzen wir am Ende an der falschen Stelle an."