Präventionsexperte sieht Familie in der Pflicht

Lüneburg. Mit zehn Streifenwagen sind Beamte der Landes- und der Bundespolizei am Montagmittag zur Wilhelm-Raabe-Schule geeilt. Vor dem Schulgebäude an der Feldstraße hatte ein 15-Jähriger zusammen mit mehr als einem Dutzend anderen Jugendlichen einem 18-Jährigen aufgelauert. Aus dem Streit wurde eine handgreifliche Rangelei, andere Schüler waren dem Angegriffenen zur Hilfe geeilt.

Die alarmierten Polizisten nahmen fünf Beteiligte der Massenschlägerei nach kurzer Verfolgung vorläufig fest. Nachdem sie die Personalien der 15- bis 17-Jährigen aus der Stadt und dem Landkreis Lüneburg festgestellt hatten, brachten sie die Tatverdächtigen zu ihren Eltern. Andere Beteiligte kurierten erst einmal ihre leichten Verletzungen aus. "Die Ermittlungen zum Hintergrund der Auseinandersetzungen dauern an", erklärt Kai Richter, Sprecher der Polizei in Lüneburg.

Solche Übergriffe sind an der Wilhelm-Raabe-Schule nach Angaben von Eike Ruhland die Ausnahme. Der 18-jährige Schülersprecher: "Gewalt spielt bei uns eigentlich keine Rolle." Dennoch sei das Thema Prävention von Gewalt auch für die Schule in der Lüneburger Innenstadt wichtig.

Lösungsvorschläge für einen friedlichen Umgang miteinander erhofft sich Ruhland von der heutigen Fachtagung "Achtsamkeit im Schulalltag". Zu deren Veranstaltern zählt auch Klaus-Dieter Röschke von der Polizeidirektion Lüneburg. Er kümmert sich als Sachbearbeiter für Jugendkriminalität um die Gewaltprävention an Schulen der Region. Sie wurde nach dem Erfurter Amoklauf 2002 zur Pflichtaufgabe.

"Unser Ziel ist es, Sicherheit und Wohlbefinden zu fördern", erklärt Röschke. "Wir wollen die Jugendlichen nicht als Täter stigmatisieren und setzen stattdessen auf eine Mischung aus Repression und Prävention." Wichtig sei dabei, dass Kinder und Jugendliche die Schule als Ort der Gemeinschaft empfinden. Röschke: "Wer sich dieser Gemeinschaft zugehörig fühlt, der beschädigt sie nicht."

Neben den Schulen sieht Röschke auch das soziale Umfeld in der Verantwortung: "Ein afrikanisches Sprichwort besagt, dass für die Erziehung eines einzigen Kindes ein ganzes Dorf notwendig ist." In Deutschland seien die Grundlagen für ein friedliches Verhalten aber selbst in den Familien teilweise nicht vorhanden, so Röschke. "Wer zuhause Gewalt als Mittel der Konfliktlösung erlebt, schlägt als Jugendlicher selbst eher zu". Etwa jede vierte Gewalttat in Deutschland wird von einem Schläger unter 18 Jahren begangen.