Einzigartiges Modellprojekt in Lüneburg. Der Bedarf ist auch da, nicht aber das Geld für Stellen

Lüneburg. Während die aktuelle Diskussion um die Integration von Migranten in vollem Gange ist, sind in einem für Lüneburg einzigartigen Modellprojekt neun Frauen und ein Mann zu Sprach- und Kulturmittlern ausgebildet worden. Zum Einsatz kommen sie zum Beispiel, wo Eltern der deutschen Sprache nur unzulänglich mächtig sind oder das Aufeinandertreffen verschiedener Sprachen und Kulturen zu tiefgreifenden Missverständnissen im Gesundheitswesen führt.

Finanziell getragen wird das Projekt von der Arge Lüneburg, die Schulung übernehmen Awocado/Awo soziale Dienste sowie die Deutsche Angestellten Akademie (DAA).

Die neuen Kulturmittler stammen aus den Ländern Irak, Kasachstan, Marokko, Polen, Russland, Türkei und Vietnam. Mit ihrem Wissen und der Reflexion eigener Migrationserfahrung sollen sie eine Brücke zwischen den Kulturen bauen.

Während längerer Praxisphasen unterstützten sie Gespräche mit Eltern und Lehrern in der Schule, zwischen Eltern und Betreuern im Jugendamt, im Kindergarten, in Beratungssituationen sozialer Einrichtungen oder dem Gesundheitswesen. Im Migrationsdienst des Diakonieverbandes arbeitete Svetlana Niyasgulov aus Kasachstan: "Mit Landsleuten habe ich sämtliche Behördengänge vom Amtgericht bis zum Jugendamt erledigt. Ich hab das genossen, denn ich wurde gebraucht."

Dennoch, Teilnehmer und Projektträger mussten auch erfahren, dass mehrheitlich den Einrichtungen das Geld fehlt, um die Kulturmittler zu übernehmen. Jens Gummlich, Betriebsleiter der Awocado Lüneburg fasst zusammen: "Wir haben hier eine gesellschaftliche Tätigkeit, eine sinnvolle Aufgabe, die gering bezahlt wird. Jeder hatte die Hoffnung: Ich bekomme einen Job. Leider sieht die Realität anders aus."

Lediglich drei Frauen haben Aussichten, sich in naher Zukunft als Kulturmittlerinnen zu verwirklichen. Zu ihnen zählen Canan Erdogan, Askin Turan und Natalia Aab. Erdogan wird zunächst auf 400-Euro-Basis als pädagogische Mitarbeiterin in der Hauptschule Stadtmitte eingestellt.

Die türkischstämmige Askin Turan knüpft mit einem weiteren Praktikum an ihren ursprünglichen Beruf der Hebamme an und bereitet sich auf den Kurs zur Anerkennung ihres Abschlusses in Deutschland vor. Natalie Aab hat nach einem Praktikum in der Awo-Kita in Kaltenmoor die Qualifizierung zur Tagesmutter begonnen.

Ein neues Projekt wird kurzfristig nicht angeschoben. "Wir werden versuchen, neben dem Nutzen für die Teilnehmer, den Mehrwert für die Gesellschaft darzustellen. Und schauen, wie viel Geld für 2011 zur Verfügung steht", sagt Hartmut Materne, Teamleiter der Arge Lüneburg.

An der Gesamtbevölkerung in Lüneburg haben Menschen mit Mitrationshintergrund einen Anteil von sechs Prozent, im Landkreis liegt der Anteil bei drei Prozent.