Ein 46-Jähriger wollte sich selbstständig machen und muss sich nun wegen Steuerhinterziehung verantworten

Anton M. kann die Holzernte kaum erwarten: Feine, nach Kiefernharz duftende Luft und Männer mit Motorsägen, die dort Ordnung schaffen, wo die Natur wild wuchern ließ. Die Aussicht auf Arbeit im Wald verheißt für den fünffachen Vater Übersichtlichkeit. Das moderne Wirtschaftsleben dagegen erwies sich ihm gegenüber als undurchdringbares Dickicht, mit all seinen Vorschriften, Regeln und Fristen.

Mehrfach hatte sich der gelernte Bankkaufmann in den vergangenen Jahren als Unternehmer versucht. Immer wieder ist er gescheitert. Zuletzt ging er mit einer Firma Bankrott, die auf den Verkauf von Reinigungsmittel für Industriebetriebe spezialisiert war. Über die Abrechnungen hatte der 46-Jährige bald den Überblick verloren. Weil er über Jahre hinweg keine Steuern an das Finanzamt überwies, muss sich er sich nun vor dem Amtsgericht verantworten. Steuerhinterziehung in elf Fällen wird dem Lüneburger zur Last gelegt.

"Gebe ich zu", sagt der Angeklagte knapp. Ein Partner habe ihm eine Festanstellung versprochen, sobald die Firma größere Gewinne abwerfen würde. "Das hat aber nicht geklappt", sagt der kräftige Mann mit Igelschnitt und zieht die Schultern hoch. Statt auszusteigen, als es finanziell nicht mehr lief, gab er sich als Generalbevollmächtigter einer Firma aus, die gar nicht existierte. Laut eigener Werbung war er dort für "central coordination" verantwortlich, wie der Richter vorliest. Als Firmensitz des angeblich weltweit agierenden Unternehmens gab Anton M. seine Lüneburger Privatadresse an. Zeitgleich hatte der Angeklagte zwei andere Firmen, von denen eine auf Handel mit polnischen Partnern spezialisiert war. "Was wollten Sie denn mit all den Firmen?", fragt der Richter ratlos. "Ach, ich weiß auch nicht. Das ist doch schon so lange her", sagt der Angeklagte, der gerade ein halbes Jahr wegen Betruges in Haft verbracht hat.

Finanziell wird der Familienvater an seinem unternehmerischen Abenteuer noch länger zu kauen haben. Mehr als vier Millionen Euro Schulden hat Anton M. Da staunt der Richter. "Wie haben Sie das denn geschafft?" fragt er. "Mein größter Kunde war ein Baustoffhändler, für den ich die komplette Werbung und den Messebau gemacht habe. Als der dann plötzlich andere Preise bei mir durchsetzen wollten, ging der Streit vor Gericht. Weil ich damals mit meinem Privatvermögen gehaftet habe, bin ich in Konkurs gegangen", erzählt der Mann, zum dritten Mal verheiratet ist und derzeit von Hartz IV lebt, ohne große Emotionen.

Die Staatsanwältin bewertet in ihrem Plädoyer positiv, dass Anton M. nicht vorhat, noch einmal den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen. Stattdessen hat er sich als Forstarbeiter beworben und nach eigenen Aussagen gute Aussichten auf den Job. Die Staatsanwältin fordert eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt zu vier Jahren Bewährung. Der Richter nimmt sich Zeit für seine Entscheidung. Dann verurteilt er Anton M. wegen Steuerhinterziehung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Die Bewährungszeit legt er auf vier Jahre fest und ordnet zudem 100 Stunden gemeinnützige Arbeit an. "Damit Ihnen im Hinterkopf bleibt, dass hier etwas war", sagt er zur Begründung und schickt Anton M. hinterher: "Hoffentlich finden Sie zurück auf den Pfad der Tugend, schon allein Ihrer Familie wegen."