Behindertenfeindlicher Witz oder flapsige Anekdote? Der Landrat wehrt sich

Lüneburg. Ein anonymer Briefeschreiber versucht, Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) eine Dienstaufsichtsbeschwerde anzuhängen. Anlass ist eine Äußerung Nahrstedts bei der Verabschiedung von Hohnstorfs Bürgermeister Jens Kaidas (CDU) am Wochenende. Nahrstedt reagierte gestern verärgert. Die Äußerung sei aus dem Zusammenhang gerissen.

So behauptet der Anonymus in seinem Schreiben, das der Rundschau vorliegt, Nahrstedt habe "in seiner vom Blatt abgelesenen Rede" folgenden "Witz" vorgetragen: "Es treffen zwei Fußballfans aufeinander: Der eine Dortmunder, der andere Schalker. Der Anhänger von Schalke 04 sitzt wegen einer Körperbehinderung (ihm fehlen beide Beine) im Rollstuhl. Schreit der Dortmunder lauthals zum Schalker: ,Steh auf, wenn du aus Schalke bist!'"

Der Landrat habe sich damit ein Dienstvergehen zu Schulde kommen lassen, sein Verhalten sei "pflichtwidrig und vorwerfbar". Er hat beim Vorsitzenden des Kreistags eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht mit der Bitte um Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens.

Der Adressat Heinz Fricke (SPD) sagte gestern gegenüber der Rundschau, als Ehrenamtlicher werde er "die Sach- und Rechtslage prüfen lassen". Er kenne Nahrstedt, der in der Behinderteneinrichtung Bethel gearbeitet hat, "als jemanden, der mit dem Thema sehr sorgfältig umgeht und das sicher ganz anders gemeint hat, als der Schreiber vermutet". Nahrstedt selbst äußerte sich gegenüber der Rundschau gestern verärgert: "Es ist unheimlich schade, dass der anonyme Schreiber die Situation und den Zusammenhang falsch verstanden hat."

So habe er "keinen Witz" erzählt, sondern eine Geschichte aus dem Buch "Entschuldigung, sind Sie die Wurst?", in dem die Autoren in der Öffentlichkeit aufgeschnappte Szenen und Dialoge niedergeschrieben haben. Eine davon sei die mit den Fußballfans gewesen, der Schalker habe laut Buch die Dortmunder beschimpft, jene hätten mit dem zitierten Satz geantwortet. Das habe er Kaidas beim "Herumflaxen" erzählt.

"Eine Diskriminierung benachteiligter Menschen war überhaupt nicht beabsichtigt, das liegt mir völlig fern. Ich habe selbst zehn Jahre mit Behinderten gearbeitet", sagte der Erzieher und Sozialpädagoge der Rundschau. "Fußballfans gehen nun mal so miteinander um. Hart aber herzlich. Auch schwarzer Humor ist Humor."

Er halte nichts davon, "jedes Wort auf die Goldwaage" zu legen, sieht aber ein, dass ihm wohl jemand "etwas daraus drehen" könne oder wolle. Den anonymen Schreiber fordert er auf, sich bei ihm zu melden: "Ich wäre jederzeit gesprächsbereit und würde den Kontext erklären. In einem lockeren Rahmen muss es auch einem Landrat erlaubt sein, so etwas zu sagen, ohne gleich eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu bekommen - und dann auch noch anonym."