Fünf Jungen werfen einen Blick hinter die Kulissen von “Showtime“ - und stellen selbst Prügelszenen nach

Lüneburg. Wenn Colt Seavers alias Lee Majors als "Ein Colt für alle Fälle" in den 80er- Jahren über den Bildschirm flimmerte, sorgte das bei den Zuschauern nicht selten für stockendem Atem: Eine Szene schien waghalsiger als die andere. Mal sprang der Stuntman und nebenberufliche Kopfgeldjäger von Zügen, mal seilte sich vom Hubschrauber ab oder flog mit seinem Wagen durch einen fahrenden Güterwaggon.

Mit dem echten Leben eines Stuntman habe all das aber im Grunde nichts zu tun, sagt einer, der es wissen muss: Hans Joensson. Der 59-Jährige ist ausgebildeter Stuntman, hat bereits in Serien wie "Alarm für Cobra 11", "Notruf" und in verschiedenen "Tatort"-Folgen mitgewirkt - und bildet seit 2006 in der Lüneburger "Stuntschule Showtime" andere für diesen Beruf aus. "Die in Filmen gezeigten Szenen sehen oft dramatischer aus als sie sind. Dahinter stecken geübte Tricks", sagt Joensson.

Einige davon verraten der Stunt-Senior mit dem grauen Vollbart und sein Team den Besuchern Jonathan, Kevin, Julius, Constantin und Felix. Die fünf Jungs zwischen elf und 14 Jahren sind Teilnehmer der Sommerferienaktion der Hansestadt Lüneburg, haben über das Jugendzentrum Oedeme einen Schnuppertag in der Stuntschule gebucht. Beim inszenierten Schlagabtausch zwischen den Stunt-Azubis Dennis und Danny - bei "Showtime" ist das Du obligatorisch - geht es unter Einsatz von Faust und Fußtritten nicht eben zaghaft zur Sache.

Doch der Schein trügt, wie Hans Joensson erklärt: "Die Bewegungen der beiden sind perfekt aufeinander abgestimmt." Schnellt die Faust des einen in Richtung Kinn des anderen vor, mimt dieser den Getroffenen, wirft den Kopf ruckartig nach hinten. Dabei geht der Schlag eindeutig daneben. "Wir stehen immer soweit auseinander, dass wir den anderen gar nicht treffen können", sagt Dennis. Doch durch eine geschickte Kameraführung sei das in Filmen nicht zu erkennen.

Mit ausgestreckten Armen misst auch das nächste Team den richtigen Abstand zueinander. Diesmal kommt auch ein Küchenhandtuch zum Einsatz: Blitzschnell wickelt Christoph das Tuch um Handgelenk und Hals von Partner Jörg, fixiert den 44-Jährigen auf dem Boden. "Probiert das ja nicht aus, wenn Mutti zu Hause sagt, dass ihr abtrocknen sollt", warnt Hans Joensson zunächst scherzhaft. Und setzt dann in ernstem Ton nach: "Bitte macht nichts nach, ihr könntet euch verletzen, wenn ihr die Übungen nicht beherrscht."

Eine einfache Choreographie werden die Jungen später aber auch einstudieren. Doch zunächst geht es erst einmal auf Besichtigungstour durch die Stuntschule. Zu sehen gibt es allerlei: Eine Holzwerkstatt und einen Werkraum mit Fliesenmustern und Bildern von schlimmen Wunden der Stuntleute an den Wänden. Nein, nein, sagt Joensson, ernsthafte Verletzungen habe es noch nicht gegeben. Immerhin sei das Team stets auf Sicherheit bedacht. Die Verletzungen auf den Bildern seinen nur geschminkt. "Auch das ist Inhalt der Ausbildung", sagt Joensson: "Ein Stuntman ist eine Allroundkraft. Wir müssen alles können." Ausbildungsinhalte bei Showtime sind etwa Requisitenbau, Schminken, Waffentechnik, Sport und natürlich Stunts.

Von einfachen "Bodystunts" wie gespielten Schlagszenen über Übungen mit Feuer, Motorrädern oder Autos bis zu Sprüngen aus größerer Höhe. "Hochhaussprünge oder sich von einem Auto überfahren zu lassen, das sind schon Königsdisziplinen", sagt Stuntman Christoph Zacharias. Seine Kollegin Sabrina Pretzel, die einzige Frau im Team, steht auf Feuerstunts. "Respekt ist aber immer dabei", räumt die 27-Jährige ein. Deshalb werfe sie sich auch nur richtig präpariert in die Flammen: mit nassen Klamotten, Helm und Sturmhaube, speziellem Wassergel für Haare, Gesicht und Hals und Lederjacke. "Damit kann nichts passieren", sagt Pretzel.

Dass es gar nicht so einfach ist, eine täuschend echte Prügelei nachzustellen, erfahren die jungen Besucher dann noch am eigenen Leibe. Am schwierigsten für Constantin: "Das Fallenlassen." Die Jungen müssen ihren Körper dabei ganz lang machen und mit den Händen zuerst auf die Matten "aufklatschen", erklären die Stunt-Profis dem Nachwuchs. "Dadurch verteilt ihr euer Gewicht und es tut nicht weh", verspricht Dominik Dietrich. Und tatsächlich kommen alle Jungs ohne Verletzungen aber mit vielen interessanten Erfahrungen davon. Julius bilanziert: "Der Besuch hat sich auf jeden Fall gelohnt. Es hat Spaß gemacht. Und ich weiß jetzt, was ein Stuntman so macht."