Gitarrist Jan Oberbek präsentiert zu den Hansetagen seine einmalige Engelsammlung in St. Marien. Heute und morgen Kirchen-Konzerte.

Lüneburg. Zehn Meter hoch ragen die Engel auf, strahlen von ihren Leinwänden auf die Besucher nieder. Mächtig, anrührend, beeindruckend. Sie stammen aus der einmaligen Sammlung des profilierten polnischen Gitarrenvirtuosen Jan Oberbek und sind während des 32. Internationalen Hansetags in der katholischen Kirche St. Marien zu bewundern.

Die Idee zur Sammlung kam Oberbek im Jahr 1985. "Herbert von Karajan hat damals im Vatikan für Johannes Paul II. ein Konzert dirigiert", sagt der Gitarrist, "und ich war so eifersüchtig! Ich habe damals beschlossen: Ich mache es noch besser." Er beauftragte den renommierten Lemberger Komponisten Andrzej Nikodemowicz mit der Komposition einer Messe. Gleichzeitig begann er, Engel zu sammeln.

Auf vier mal zehn Meter große Leinwände, die er in einer Fabrik kauft, lässt Jan Oberbek internationale Künstler Engel malen. 77 sind es inzwischen, sie kommen unter anderem aus Polen, der Ukraine, Deutschland, Südamerika, Japan, Italien oder Kanada. Er investiere alles, was er habe, in dieses Projekt, sagt der Gitarrist. Und so schlecht seien seine Gagen nicht, schließlich fülle er große Konzertsäle auf der ganzen Welt. Sein Traum ist es, die Engel in den Bellini-Collonaden auf dem Petersplatz im Vatikan auszustellen und dazu die eigens komponierte Messe aufzuführen.

Jan Oberbeks Engel sind beeindruckende Bildnisse, und das nicht nur wegen ihrer Größe. So unterschiedlich die Künstler und ihre kulturellen und religiösen Wurzeln sind, so verschieden sind auch die gemalten Engel. Kindlich androgyn und nackt zeigt sich der japanische; dunkelhäutig, einer östlichen Ikone nachempfunden, der des berühmten polnischen Malers Jerzy Nowosielski. Eher grafisch mutet der Engel der Architektin Annaleska Dembica an; gesichtslos, kalt und unnahbar dagegen der einer polnischen Nonne. Es gibt abstrakte Engel, bunte, schlichte, einschüchternde, volkstümliche, strahlende, junge, alte, opulente, dünne, kindliche, anmutige, moderne, große und kleine. Alle sind sie mit Weihwasser gesegnet. Jan Oberbek liebt jeden einzelnen von ihnen, sagt er.

Und er würde sie gerne alle zeigen. Wegen der beschränkten Räumlichkeiten in St. Marien musste er aber schweren Herzens eine Auswahl treffen. Sechs Leinwände hängen nun in der Kirche, und wenn das Wetter mitspielt, werden sieben weitere Bildnisse in wechselnder Folge auf dem Vorplatz gezeigt. Damit sich die zehn Meter großen Engel in ihrer vollen Größe zeigen können, hat Pfarrer Carsten Menges einen Hubwagen organisiert. Auch er ist von den Bildnissen begeistert. "Die passen prima zu unserem Verkündigungsengel im Altarbild", sagt er.

Vermittelt hat die Ausstellung Petra Lawietzky vom evangelischen Zentrum in Loccum. Dass die Zusammenarbeit zwischen der evangelischen und katholischen Kirche so gut funktioniert hat, freut Jan Oberbek besonders. Es gehe doch schließlich um Freundschaft, Liebe, und Herzlichkeit - seine Engel seien Symbole dafür. Mehrmals betont er im Gespräch mit dem Abendblatt, wie herzlich er von Pfarrer Carsten Menges und dessen Team aufgenommen worden sei. Und wie eng Deutschland und Polen durch ihre Geschichte verknüpft wären.

Dafür stehe allein schon seine Familiengeschichte: Jan Oberbek ist ein Nachfahre des deutschen Malers Johann Friedrich Overbeck (1789-1869), der als einer der bedeutendsten Protagonisten der nazarenischen Kunst gilt. Noch heute betreibe ein Zweig seiner Familie in Stettin eine grafische Druckerei, sagt Jan Oberbek stolz.

Vor einigen Jahren war er seinem Traum, seine außergewöhnliche Sammlung von Engeln im Vatikan zu zeigen und die Messe aufzuführen, schon einmal ganz nahe. "Ich habe für Johannes Paul II. gespielt, ganz privat. Und er hat das Projekt abgesegnet." Bevor es aber tatsächlich umgesetzt werden konnte, sei der Papst verstorben.

Jetzt versucht der Künstler mit den buschigen Augenbrauen und dem üppigen grauen Haarschopf, Papst Benedikt XVI. für seine Idee zu begeistern. Er wird Erfolg haben, glaubt Jan Oberbek. "Benedikt hat sich schon in einen der Engel verliebt."

Die Kirche St. Marien an der Lüneburger Friedensstraße 8 ist während der Hansetage von heute bis Sonntag täglich von 10 bis 22 Uhr geöffnet. Das weitere Programm sieht folgendermaßen aus: Heute um 21 Uhr sowie morgen um 19.30 Uhr: Konzert von Jan Oberbek an der Gitarre; Sonnabend, 30. Juni, um 18 Uhr: Vorabendmesse mit musikalischer Umrahmung von Jan Oberbek. Freitag und Sonnabend finden zudem jeweils um 14.30 Uhr eine kleine Orgelmusik und um 15 Uhr eine Kirchenführung in deutscher und polnischer Sprache statt.

Die Ausstellung "Engel" ist von Sonnabend, 7. Juli, an außerdem in der Kirche St. Marien in Neuhaus (Elbe) zu sehen. Die Vernissage beginnt dort um 16 Uhr.