Das Verwaltungsgericht Lüneburg gibt Erstem Stadtrat Recht. Dienstpflichten nicht verletzt. Stadt trägt Kosten für das Verfahren.

Lüneburg. Als im Verwaltungsgericht Lüneburg gestern nach einer Pause noch ein Dutzend Zuhörer im Saal 1 sitzen, zeigt sich der Vorsitzende Richter überrascht - und erfreut. So viel Publikum wie im Fall Koch gegen den Verwaltungsausschuss der Stadt ist beim Verwaltungsgericht niemand gewohnt.

"Ich lade Sie herzlich dazu ein, auch einmal zu einem normalen Verwaltungsgerichtsverfahren zu kommen", nutzt Hennig von Alten die Aufmerksamkeit der vielen Gäste für eine kurze Werbung in eigener Sache. Der Mann mit dem mitunter sehr verschmitzten Gesichtsausdruck ist nicht nur der Vorsitzende Richter an diesem Vormittag, sondern der Präsident des Verwaltungsgerichts. Ein Jurist mit einem großen Talent: technische Paragrafen jedem Laien begreiflich zu machen - und immer wieder für ein Schmunzeln im Gerichtssaal zu sorgen, sei der Sachverhalt auch noch so trocken.

Und der dreht sich an diesem Morgen wie bereits am Vortag um die Anmietung einer Halle am Pulverweg für die ehemalige städtische Jugendwerkstatt, die sich später als asbestbelastet herausstellte. Der Erste Stadtrat Peter Koch, der den Pachtvertrag am 5. Mai 2009 unterschrieb, soll laut Vorwurf des Verwaltungsausschusses die Eignung und die Kosten bei Vertragsabschluss nicht mit der "erforderlichen Sicherheit" geklärt haben, außerdem habe er keine Kündigungs- und Mängelrechte in den Vertrag aufgenommen.

+++ Peter Koch bleibt Vorsitzender des NST-Sozialausschusses +++

"Abenteuerlich" nennt der Richter die von dem Ermittlungsbeamten des Disziplinarverfahrens ins Spiel gebrachte mögliche Klausel, eine Kündigung sei möglich, wenn die Stadt "kein Interesse mehr" an dem Objekt habe.

Wissen will von Alten auch, warum der Erste Stadtrat eigentlich überhaupt den Vertrag unterzeichnet habe - schließlich steht als Unterzeichner "Eigenbetrieb Gebäudewirtschaft" im Dokument. Und dessen Leiter war und ist nicht Koch.

"Das habe ich mich im Nachhinein auch oft gefragt", erwidert der Befragte nicht ohne Galgenhumor. Schließlich hat ihm die Unterschrift ein Disziplinarverfahren eingebracht, das inklusive Gerichtsverfahren mittlerweile 800 Seiten umfasst und ihn Tausende Euro gekostet hat.

Koch nennt die von der Gegenseite geforderte "erforderliche Sicherheit" einen "unbestimmten Rechtsbegriff". Für den erfahrenen Dezernenten waren die Unwägbarkeiten bei Vertragsabschluss "vertretbar und verantwortbar", gehören quasi zum Dienstalltag eines Entscheiders in der Kommunalverwaltung. Diverse Experten hätten die Halle begutachtet, "die erforderliche Sicherheit lag vor". Zudem musste eine Entscheidung her, wegen möglicher Rückforderung von Fördermitteln drängte die Zeit. Es war "Druck im Kessel" - Zitat Hennig von Alten.

Das sieht die Anwältin Dr. Martina Karoff freilich anders. Sie vertritt den Verwaltungsausschuss der Stadt, der in seiner Einstellungsverfügung des Disziplinarverfahrens die beiden Vorwürfe gegen Koch formuliert hat. Während der Verfahrenspausen stimmt sie sich mit Stadtrat Markus Moßmann ab - Dezernent unter anderem für Recht bei der Verwaltung.

Koch hätte Sorge dafür tragen müssen, dass die Unsicherheiten rechtlich abgesichert seien, so Karoff, die Erkenntnisgrundlage sei nicht ausreichend vorhanden gewesen.

Das sieht das Verwaltungsgericht anders - und entscheidet am Nachmittag pro Koch: "Der Erste Stadtrat der Hansestadt Lüneburg hat beim Abschluss eines Pachtvertrages im Mai 2009 für die beabsichtigte Unterbringung der Jugendwerkstatt kein Dienstvergehen begangen." Der Vorwurf des Verwaltungsausschusses sei "nicht gerechtfertigt", ein Risiko "nicht erkennbar gewesen". Die Stadt trägt Gerichts- und Anwaltkosten - auch die von Koch.

Jetzt dürfte es den Ersten Stadtrat auch nicht mehr stören, dass 80 Prozent des von den Beteiligten Geschriebenen für das Gericht bei der Entscheidung unerheblich gewesen ist, weil es die Zeit nach dem 5. Mai 2009 betraf. Das hatte von Alten gleich zu Beginn der Verhandlung gesagt - "auch wenn Herr Koch jetzt traurig ist".

Laut Gericht hat der ehemalige Fachbereichsleiter jedoch gegen seine Pflichten verstoßen, weil er die Liegenschaft nicht ausreichend überprüft habe. Berufung kann beantragt werden.

Einen Hinweis gab Gerichtspräsident von Alten den Vertretern der Verwaltung für die Zukunft noch mit auf den Weg: sich beim nächsten Disziplinarverfahren doch bitte an die gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensgrundsätze zu halten. Der betroffene Beamte müsse über jeden Schritt informiert werden und habe das Recht auf ein Schlussgehör. Beides sei bei Koch nicht passiert. "Und das ist misslich."