Spitzenkandidat für Landtagswahl Stephan Weil stellte sich in Lüneburg vor. Demografische Entwicklung war Thema.

Lüneburg. Mit Pauken und Trompeten begann der SPD-Bürgerempfang am Freitagabend in der Ritterakademie. In der "Blue Band" trommeln und singen Menschen mit und ohne Handicap gemeinsam. Dass zum ersten Mal überhaupt bei dem Empfang eine Band engagiert wurde, sei kein Zufall, sagt Hiltrud Lotze, Chefin des SPD-Ortsvereins in Lüneburg. "Das Thema Inklusion geht über den Bildungsbereich weit hinaus und wird uns weiter intensiv begleiten." Die aktuellen kommunalpolitischen Themen in Stadt und Landkreis sollten aber an diesem Abend eher im Hintergrund stehen, immerhin hatte sich hoher Besuch angesagt.

Etwa 120 Besucher waren gekommen, um den Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten für die Landtagswahlen im kommenden Januar kennen zu lernen. Nicole Ziemer, die für die SPD im Kreistag sitzt, hatte ganz konkrete Erwartungen an Stephan Weil. "Ich hoffe, dass er die Chance nutzt und sich und seine Agenda den Lüneburgern vorstellt."

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Nach der musikalischen Eröffnung überließ Hiltrud Lotze dem Gast aus Hannover die Bühne. Das Rednerpult beachtete Stephan Weil nicht weiter. "Das ist mir zu weit weg", sagte der Oberbürgermeister von Hannover und sprach direkt zu seinem Publikum. Weil entwarf das Bild eines reformbedürftigen Landes, das vor großen Herausforderungen steht. Die größten Anforderungen ergeben sich für Stephan Weil aus den Prognosen über die demografische Entwicklung der Regionen zwischen Harz und Heide in den kommenden Jahrzehnten. Vor allem im Hinblick auf die regionalen Unterschiede müsse schnell gehandelt werden.

Niedersachsen sei bundesweit das Land, in dem am wenigsten Kinder geboren werden. Auch im Bereich Kinderbetreuung sieht der SPD-Landeschef großen Nachholbedarf. Gemeinsam mit der SPD wolle er das Land für die Zukunft rüsten. "Denn Probleme hat Niedersachsen reichlich", sagte Weil an einer Stelle. Die Finanzkrise 2008 habe gezeigt, dass das Vertrauen auf Deregulierung und Liberalisierung weiter Bereiche in eine Sackgasse führt, sagte Weil. Die Bürger wünschen einen Staat, der wieder mehr Verantwortung übernimmt und sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt. Ein Beweis dafür sei das Vertrauen, dass Menschen heute kommunalen Einrichtungen wie Stadtwerken oder Sparkassen entgegenbringen.

Stephan Weil spricht frei und ohne rhetorische Schnörkel. In seiner halbstündigen Rede kommt der 54-Jährige ohne Attacken auf den politischen Gegner aus. "Angriffe mit Schaum vorm Mund" lägen ihm nicht, schließlich sei er Niedersachse, sagt Weil. Dass er sich als nüchterner Pragmatiker in Szene setzt, der sachorientiert Politik machen will, kommt beim Lüneburger Publikum gut an. Beifall erntet der Jurist, als er auf Wirtschaftspolitik zu sprechen kommt. "Wir müssen Strukturen schaffen, die es ermöglichen, dass Fachkräfte mit ihren Familien gern in Niedersachsen leben". Das gelte vor allem für ländlichen Regionen.

Die Studiengebühren möchte Weil abschaffen. Sie seien nicht nur ungerecht, sondern führten dazu, dass viele Abiturienten das Land verlassen und Hochschulen in anderen Bundesländern vorziehen. Die Abwanderung junger Menschen will Weil stoppen. Außerdem sollen Pflegeberufe attraktiver werden.

Als er sagt, er wolle im Falle eines Wahlsieges die Landespolitik regionaler gestalten und den Kommunen möglichst viel Entscheidungsspielraum lassen, erntet er zustimmendes Nicken von Landrat Manfred Narstedt und Oberbürgermeister Ulrich Mädge. Weils Nüchternheit kommt auch bei Friedrich von Mansberg an. "Er hat alle wichtigen Themen mit der richtigen Mischung aus Ernsthaftigkeit und Leidenschaft angesprochen", sagt der SPD-Ratsherr und Chefdramaturg am Theater Lüneburg. "Die Probleme, die mit der demografischen Entwicklung zusammenhängen, gehören zu denen, die bisher weiträumig verdrängt werden."

Auch Torbjörn Bartels war in die Ritterakademie gekommen. Der Lüneburger sitzt seit der Kommunalwahl im vergangenen September für die Piraten-Partei im Stadtrat. Der Bürgerempfang sei eine angenehme Abwechslung zu den oft anstrengenden Sitzungen, sagte Bartels. Die Gelegenheit mit Bürgern ins Gespräch zu kommen, sei aber nicht der einzige Grund für seinen Besuch. "Wir wollen auch in den Landtag und da schadet es nicht, zu wissen, was die anderen Parteien machen."