Streuobstwiesenverein bepflanzt vier Parzellen in der zentrumsnahen Kleingartenkolonie Am Schildstein mit Bäumen alter Sorten.

Lüneburg. Die Schatztruhe liegt mitten in der Stadt, nicht einmal zwei Kilometer vom Zentrum entfernt, in der Kleingartenkolonie Am Schildstein. Kaum jemand ahnte bis vor kurzem, welche Frucht-Perlen seit Jahrzehnten in den Parzellen im Stadtteil Mittelfeld stehen. Erst ein Laubenpieper aus der Kolonie stieß auf die Juwele und lüftete deren Geheimnis: 20 alte, seltene, aber regionaltypische Obstsorten wachsen und gedeihen in dem Schrebergarten seit vielen Jahrzehnten.

"Der Kleingärtner ist Mitglied im Lüneburger Streuobstwiesenverein. Beim norddeutschen Apfeltag in Hamburg lernte er alte Sorten kennen. Diese suchte und fand er am Schildstein", sagt Julia Gerdsen vom Streuobstwiesenverein. Die Kolonie feierte vor zwei Jahren ihr 75-jähriges Bestehen. "Und genauso alt oder sogar älter sind viele der Obstbäume. Sie wurden gepflanzt, als die Kolonie 1935 gegründet wurde."

Damit Apfelsorten wie etwa Finkenwerder Herbstprinz, Gravensteiner, Ruhm von Kirchwerder, Uelzener Rambour, Altländer Pfannenkuchenapfel, Freiherr vom Berlepsch, Ingrid Marie, Jakob Lebel und die Birnensorten Williams Christ und Köstliche von Charneux in der Kleingartenkolonie weiterleben, legt der Verein in vier Parzellen auf 1500 Quadratmetern Fläche eine Streuobstwiese an. Auf dieser sollen auch künftig die alten Sorten wachsen und Früchte geerntet werden.

Am Wochenende liefen die ersten Arbeiten an, 20 Mitglieder richteten die vier Parzellen her, leisteten Vorarbeiten für die Pflanzung. Sie mähten Gras und beschnitten einige der alten, knorrigen Bäume, die noch in den bereits vor Jahren aufgegebenen Parzellen stehen, auf denen die Streuobstwiese angelegt wird. "Wir planen, 24 Bäume zu pflanzen. Vielleicht kommen neben Apfel- und Birnen- auch Kirschbäume dazu. Außerdem steht schon ein Quittenbaum auf unserem Gelände", sagt Cornelia Bretz, die das Projekt gemeinsam mit Julia Gerdsen koordiniert. Am Sonnabend, 21. April, werden die neuen Obstbäume in mühevoller Handarbeit mit Spaten und Schaufeln in den Boden gebracht. Auf den Einsatz von Maschinen verzichtet der Verein. Das würde den jungen Bäumen erschweren, Wurzeln zu bilden.

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"Wir pflanzen eine Streuobstwiese mitten in der Stadt an. Das ist schon etwas Besonderes", schwärmt Bretz. Das findet auch die niedersächsische Bingo-Umweltstiftung. Sie fördert die Streuobstwiese in der Gartenkolonie ebenso wie eine weitere, die der Verein im Sommer in Harmstorf bei Dahlenburg anlegen will. "Dass wir von der Bingo-Umweltstiftung gefördert werden, steht fest. Den Bescheid haben wir aber noch nicht. Deshalb wissen wir auch nicht, wie hoch der Zuschuss sein wird", sagt die Koordinatorin.

Das vorrangige Ziel sei, mit den Streuobstwiesen die biologische Vielfalt zu erhalten, die Gene der alten und im Vergleich zu neuen wesentlich robusteren Sorten für die Nachwelt zu retten. Die Betreuung der Flächen soll von theoretischen und praktischen Fortbildungen für die Vereinsmitglieder zu den Themen Veredelung, Anlage, Pflege und Nutzung von Streuobstwiesen begleitet werden. Eine Arbeitsgruppe "Historische Obstsorten erhalten" wird ebenfalls ins Leben gerufen.

Da die Kleingartenkolonie Am Schildstein auch von vielen Spaziergängern besucht wird, soll ein Streuobstwiesen-Lehrpfad eingerichtet werden. "Uns kommt die Lage mitten in der Stadt auch für die Umweltbildung von Kindern zugute. Schüler aus den Lüneburger Schulen können beim Besuch des Lehrpfades viel über die biologische Vielfalt lernen", sagt Umweltwissenschaftlerin Cornelia Bretz.

Sechs große Schautafeln und 40 Obstbaumschilder sollen dabei helfen. Das Projekt ist Teil des Umweltbildungskonzeptes zum "Lernort Streuobstwiese", das in Zusammenarbeit mit dem Umweltbildungszentrum der Stadt (Schubz), der Kreisgruppe des Naturschutzbundes (Nabu) und den Lüneburger Grundschulen erarbeitet und in die Tat umgesetzt werden soll. "Weitere Elemente sind Lehrerfortbildungen, die Einrichtung von Baumpatenschaften und Führungen", sagt Kulturwissenschaftlerin Julia Gerdsen.

Ein Hektar groß ist die Fläche für die weitere Streuobstwiese in Harmstorf, die zwischen dem Ort und dem Bleckeder Ortsteil Barskamp im Osten des Landkreises Lüneburg liegt. Auf einem seit 20 Jahren nach Bioland-Richtlinien bewirtschafteten Acker sollen künftig 70 Bäume und 210 Heckenpflanzen wachsen und Früchte tragen. Die Einweihung ist für Herbst 2013 geplant.

So lange wird es mit dem Schatzkästchen in der Stadt nicht dauern. Streuobstwiese und Lehrpfad in der Kleingartenkolonie Am Schildstein werden offiziell am 21. Oktober der Öffentlichkeit vorgestellt.