Schlecker-Betriebsrätin Manuela Liegegeld fühlte sich sicher bei der Drogeriekette. Jetzt ist Ausverkauf in Salzhausen: Kunden stehen Schlange.

Lüneburg. Manuela Liegegeld will nicht aufgeben. Seit acht Wochen ist bekannt, dass der Drogeriekonzern Schlecker kein Geld mehr hat und Standorte schließen muss. Auch für die Filiale Salzhausen, die Manuela Liegegeld leitet, sehen die Insolvenzverwalter keine Zukunft. Sie soll zum Ende der Woche schließen. Schon einmal musste die 32-Jährige mit Schlecker schließen, im vergangenen Jahr in Oedeme. "Den Laden konnte ich nicht retten", sagt sie.

In Salzhausen hat Schlecker ihrer Ansicht nach dagegen eine gute Chance. Der Drogeriemarkt liegt verkehrsgünstig im Ortszentrum von Salzhausen, die Bewohner eines nahe gelegenen Seniorenheims zählen zu den Stammkunden in dem Geschäft.

Einen Tag bevor das Unternehmen mitteilte, dass es zahlungsunfähig sei, hatte sich Manuela Liegegeld noch nach anderen Räumen für die Filiale umgesehen. "Die Treppen vor unserer Tür sind nicht optimal für Senioren und Kunden mit Kinderwagen. Deswegen war ich beim Bauamt und habe gefragt, welche anderen Räume es gibt."

Als ihr einen Tag darauf Kunden von der Schlecker-Pleite erzählen, kann die Filialleiterin es im ersten Moment nicht fassen. Doch als wenig später bekannt wird, dass Standorte schließen müssen, wird Manuela Liegegeld aktiv. Sie und ihre zwei Kolleginnen laden zu einem verkaufsoffenen Sonntag ein und sammeln Unterschriften.

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Mehr als 520 Kunden sprechen sich innerhalb kürzester Zeit für den Erhalt der Schlecker-Filiale in Salzhausen aus. Ob das ausreicht, um die Insolvenzverwalter zu überzeugen, wissen die drei Frauen nicht. Bisher sprechen alle Anzeichen dagegen.

Immer neue Hiobsbotschaften kamen in den vergangenen Tagen per Fax aus der Zentrale. "Erst kam die Nachricht, dass unsere Filiale vor dem Aus steht. Dann der nächste Paukenschlag: Die Schließung zum Ende der Woche", sagt Manuela Liegegang und blickt auf rote Schilder, die einen Preisnachlass von 30 Prozent versprechen.

"Jetzt brummt der Laden", sagt die 32-Jährige mit einem bitteren Lächeln. Im Schnitt 400 Kunden täglich kaufen zurzeit in der Filiale ein, viermal mehr als vor dem Ausverkauf. Mittlerweile sind die meisten Regale leer. "Toilettenpapier, Windeln und Kaffee waren zuerst weg."

Die alte Registrierkasse rattert pausenlos. Trotzdem stehen die Kunden Schlange. Einige Tüten Blumenerde, Glühbirnen und Putzschwämme liegen im Korb einer älteren Dame. Der Herr mit grauem Haar hinter ihr hat es vor allem auf Taschentücher abgesehen. Ein junges Mädchen kauft fünf verschiedene Fläschchen Nagellack. Neben der Kasse baut ein Techniker aus der Zentrale bereits den Fotocomputer ab, an dem Kunden ihre Urlaubsbilder ausdrucken konnten. Nicht nur die Waren, auch die Ladeneinrichtung verschwindet nach und nach.

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Viele Kunden fragen, wie es weitergeht. Meistens zucke sie mit den Schultern, sagt Manuela Liegegeld. "Ich habe nicht geglaubt, dass ein Unternehmen von dieser Größe in die Insolvenz gehen könnte." Sie habe sich sicher gefühlt.

Fast ihr gesamtes Berufsleben hat sie in den blau-weißen Schlecker-Filialen verbracht. Angefangen hat sie vor zehn Jahren, wie viele der Mitarbeiter, als Aushilfe. Wenig später wurde der jungen Frau die Leitung einer Filiale angeboten, sie sagt zu. Da war sie 22 Jahre alt, gerade Mutter geworden und voller Tatendrang. Sie half aus, wo sie gebraucht wurde, in Hamburg, Lüneburg, Häcklingen und Brietlingen hat sie gearbeitet. Und auch heute noch sagt sie: "Es ist mein absoluter Traumjob. Ich würde gern bis zur Rente in der Firma arbeiten."

Obwohl das Unternehmen in der Vergangenheit unangenehm auffiel, weil es mit Leiharbeitern die Tarifrichtlinien unterlief und die Mitarbeiter bespitzeln ließ. Zuletzt hatte Schlecker Tariflohn gezahlt, auch Weihnachts- und Urlaubsgeld, viele Konkurrenten zahlen schlechter. Seit das Unternehmen die Gründung von Betriebsräten zulässt, engagiert sich Manuela Liegegeld als Betriebsrätin. "Am Anfang hatten wir schon ein bisschen Angst, dass das nicht gut ankommt bei der Leitung, aber wir haben in den vergangenen zwei Jahren gut zusammengearbeitet."

Im Moment macht Manuela Liegegeld vor allem eine neue Liste Sorgen. Darauf stehen die Namen der Kollegen, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Die 32-Jährige hat bis jetzt keinen Blick darauf geworfen. Weil sie die Schicksale der Menschen kennt, die hinter den Buchstaben stehen. Viele haben sich längst bei anderen Arbeitgebern vorgestellt. Dafür hat die Filialleiterin gerade keine Kraft.

"Wir kämpfen noch", sagt Manuela Liegegeld. Sie klammert sich an den Gedanken, dass es doch noch Hoffnung für die Schlecker-Filiale in Salzhausen gibt.