Ein veraltetes Baurecht verhindert vielerorts den Bau sogenannter Kleinanlagen. Der Landkreis ändert jetzt die Zulassungskriterien.

Neu Jürgenstorf. Der Landkreis Lüneburg ändert die Kriterien für die Genehmigung von Kleinwindkraftanlagen. Bürger sollen es künftig leichter haben, auf ihrem eigenen Grund und Boden umweltfreundlich Strom zu erzeugen. Bürger wie Stefi Brockmann-Wittich und ihr Mann Konrad Wittich: Schon vor zwölf Jahren errichteten sie eine Fotovoltaikanlage auf ihrem Hof in Neu Jürgenstorf. Das kleine Solarfeld besteht aus neun Kollektoren und steht in ihrem Bauerngarten am Haus. Um die Anlage herum laufen Hühner und scharren im Sand. Der aus der Sonne erzeugte Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist. "Als Atomkraftgegner wollen wir einen konstruktiven Beitrag zur Energiewende leisten", sagt Stefi Brockmann-Wittich.

Deshalb soll zur Fotovoltaikanlage ein zwölfeinhalb Meter hohes Windrad hinzukommen mit einer Leistung von 5,5 Kilowatt. Unweit der Solarplatten auf einer Weide, auf der Gallowayrinder grasen, soll es stehen. "Wir wollen damit Strom produzieren, den wir in unserem Haus verbrauchen. Denn es sollte so sein, dass Strom dort verbraucht wird, wo er erzeugt wird", sagt Brockmann-Wittich.. Doch das Projekt steht still, obwohl genug Platz auf dem idyllisch gelegenen Bauernhof vorhanden ist. "Die Bauvoranfrage vom Mai 2011 zog ich zurück, als klar wurde, dass sie vom Landkreis abgelehnt werden würde."

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Es gibt bislang keine Genehmigungskriterien für Kleinwindräder. "Sie werden rechtlich gleich behandelt wie die großen Anlagen", so Brockmann-Wittich. In ihrem Fall heißt das, dass sie nicht bauen dürfte, weil ihre Rinderweide nicht als Vorrangfläche für Windkraft im Flächennutzungsplan der Samtgemeinde Scharnebeck ausgewiesen ist.

Im Landkreis Lüneburg wird an dem Problem jedoch inzwischen gearbeitet, nachdem die FDP-Fraktion im alten Kreistag um ihre damalige Vorsitzende Karin-Ose Röckseisen schon vor mehr als zwei Jahren darauf gedrungen hatte. Zumal es überdies laut Ute Opalka, Fachdienstleiterin Bauen bei der Kreisverwaltung, weitere Bauvoranfragen für Kleinwindkraftanlagen aus Wittorf und Radbruch gebe, Interesse zudem von Bürgern in der Gemeinde Amt Neuhaus bekundet worden sei. Opalka kündigt für den Sommer Regelungen an. "Wir haben vielschichtige Überlegungen angestellt und definiert, was vernünftig ist. Diese liegen jetzt den Gremien der Einheits- und Samtgemeinden zur Beratung und zum Beschluss vor", sagt sie.

Bisher habe es keine Vorschrift gegeben, wie Bauanträge für Kleinwindkraftanlagen behandelt werden sollen. Mit einer Ausnahme. Eindeutig geregelt ist das Verfahren für Landwirte. Für sie gilt Paragraf 35 im Baugesetzbuch, der das privilegierte Bauen im Außenbereich regelt. "Sie dürfen bauen, wenn sie 51 Prozent des erzeugten Stroms in den eigenen Betrieb fließen lassen und die Anlage nicht höher ist als das höchste Gebäude auf dem Hof", sagt Ute Opalka. Weitere Details für eine Genehmigung fehlen aber auch in diesem Fall.

Für alle, die wie Stefi Brockmann-Wittich und Konrad Wittich keine Bauern sind, aber auch kleine Windräder bauen wollen wie, plant der Kreis nun einen Leitfaden, in dem die Genehmigungskriterien einheitlich für den Landkreis Lüneburg festgelegt werden. Opalka: "Als die Gesetze für den Bau großer Anlagen gemacht wurden, hat noch niemand an die Energiewende gedacht und damit auch nicht an die Errichtung von Kleinwindrädern."

Kernaussage des künftigen Leitfadens ist, dass bei Anlagen mit einer Höhe von bis zu 20 Metern die Flächennutzungspläne nicht geändert werden müssen, wenn die kleinen Windräder der Selbstversorgung mit Strom dienen und Landschafts- und Ortsbilder sowie Schutzgebiete nicht beeinträchtigt werden.

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Allerdings räumt Opalka ein, dass jedes Windrad individuell betrachtet werden müsse, weil die Standorte verschieden seien. Im Außenbereich der Orte sieht Opalka weniger Probleme als etwa in Wohngebieten. "Der Bau eines kleinen Windrades auf einem großen Grundstück im Außenbereich oder aber auch in einem Dorf dürfte Nachbarn kaum stören", sagt sie. Während in einem reinen Wohngebiet die rechtlich vorgeschriebenen Abstände zu den Nachbarn wohl nicht eingehalten werden könnten. "Ohnehin kann ich mir keine Anlage auf einem Grundstück vorstellen, das kleiner als 1200 Quadratmeter groß ist", sagt sie.

Im Einzelfall könne ein Windrad durchaus die maximale Höhe auf bis zu 25 Meter überschreiten, wenn etwa Orts- und Landschaftsbild sowie Nachbarn nicht beeinträchtigt und die Mindestabstände eingehalten werden. "Die Bäume in einem Wald sind ungefähr 30 Meter hoch. Wenn Anlagen ein bisschen niedriger bleiben, dann ist es gut."

Die Firma PSW Energiesysteme aus Celle baut und vertreibt Kleinwindräder ab einer Leistung von fünf Kilowatt. "Alles bis ein Kilowatt ist Liebhaberei und nicht wirtschaftlich. Denn mit der Leistung kann nicht mehr als eine Glühbirne betrieben werden", sagt PSW-Mitarbeiter Mersid Huskic.

Die PSW-Anlagen sind je nach Ausführung zehn, zwölf und 15 Meter hoch, die Rotoren 6,20 bis 8,50 Meter lang. Huskic sagt, das Unternehmen stelle im Jahr 15 bis 20 Anlagen bei Kunden auf. "Theoretisch könnten wir mehr verkaufen. Interessenten fehlen nicht, aber die rechtlichen Rahmenbedingungen."

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Die meisten PSW-Kunden sind Huskic zufolge Landwirte, die einen Stromverbrauch von 15 000 bis 50 000 Kilowattstunden im Jahr haben. "Sie produzieren Strom für den Eigenbedarf. Dieser wird unter anderem benötigt für die Belüftung von Ställen, die Beleuchtung, den Betrieb von Melkmaschinen und die Milchkühlung." Er sagt, schon eine Anlage mit zwölf Kilowatt könne das problemlos bewältigen. Anlagen, die komplett von der Celler Firma geliefert und aufgebaut werden, kosten ihm zufolge je nach Leistung zwischen 30 000 und 50 000 Euro. "Bei einem hohen Eigenbedarf amortisiert sich ein Windrad nach acht bis zwölf Jahren."

Huskic räumt ein, dass die kleinen Anlagen außerhalb der Landwirtschaft bislang noch die Ausnahme seien. "Für Privathaushalte sind sie noch nicht so interessant, weil der Strombedarf dort nicht konstant ist." Jedoch werde sich die Lage bald ändern, weil sich die Speichertechnologie rasant weiterentwickele.