Chef einer Kampfsportschule in Maschen wird vom Landgericht zu vier Jahren Haft verurteilt

Lüneburg. Am letzten Tag des Prozesses wegen der tödlichen Schüsse in einer Schule für Kampfsport in Maschen ging es noch einmal hoch her unter den etwa 30 Besuchern im Saal 21 des Landgerichts Lüneburg. Die Rechtsanwälte der Familienangehörigen des erschossenen Thomas D., die in der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht als Nebenkläger auftraten, forderten unter Zwischenrufen von den Besucherbänken weitere Beweise bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen. Dabei ging es um den Vorwurf, der Angeklagte Hansi Sch. habe Jugendliche mit rechtsextremem Gedankengut beeinflusst. Schüler des Kampfsportstudios hätten von Tätowierungen auf dem Oberarm des Zwei-Meter-Manns berichtet, die einen Totenkopf und den SS-Wahlspruch "Meine Ehre heißt Treue" zeigten.

Auf den heute 43 Jahre alten Angeklagten wirft das zwar kein gutes Licht und könnte Gegenstand eines weiteren Prozesses gegen ihn sein. Für den Vorsitzenden Richter Franz Kompisch ging es in dem gestern nach zwölf Verhandlungstagen abgeschlossenen Prozess zunächst aber nur darum, herauszufinden, ob der als gesetzestreuer Bürger auftretende Hansi Sch. wirklich aus Notwehr handelte. An dieser Version des Tathergangs bestehen Zweifel, allein weil es nur die Aussage des Täters gibt. Demzufolge fühlte sich der adrett in dunkelgrauem Anzug und Krawatte gekleidete Hobbyzüchter von Kampfhunden der Rasse American Staffordshire Terrier von seinem ehemaligen Geschäftsfreund bedroht.

"Aber wie misst man Furcht?", fragte Richter Kompisch bei der Begründung seines Urteils von vier Jahren Freiheitsstrafe wegen Totschlags. Trotz der berechtigten Angst vor dem durchtrainierten Inhaber eines Sicherheitsdienstes und Inkassounternehmens habe Sch. die Grenze zur straflosen Notwehr überschritten. Denn er schoss nach einem ersten Treffer ins Bein zwölf weitere Male auf sein Opfer. Er habe nach eigenen Angaben nicht mehr aufhören können und verschoss binnen Sekunden das komplette Magazin. Neun Kugeln trafen D. in Bein, Rücken und seitlichem Oberkörper.

Hansi Sch. hatte sich die Neun-Millimeter-Pistole nach einem gewalttätigen Zwischenfall mit Thomas D. besorgt. Am 1. Juli vorigen Jahres hatte der 47-Jähige Schulden eintreiben wollen und den damals fünf Jahre jüngeren Sch. mit einem Messer bedroht. Sch., der sich in Privatinsolvenz befindet, konnte ihm das geforderte Geld aber nicht geben. Daraufhin überzog D. seinen Schuldner mit ehrverletzenden E-Mails, die er auch an Freunde von Sch. weiterleitete. Darin bezeichnete er den kräftigen Glatzkopf mit blondem Dreitagebart aufs Übelste.

"Für beide Beteiligte bestand die Gefahr, ihr Gesicht zu verlieren, wenn sie nachgeben", erklärt Richter Kompisch die besondere Problematik der Kontrahenten aus der Kampfsportszene. Am 24. August eskalierte dann der Streit ums Geld nach einem Jahrzehnt "erklecklicher Zusammenarbeit" des Inkassounternehmers D., der seine Mitarbeiter von Sch. trainieren ließ, im Treppenhaus des Kampfsportstudios am Hittfelder Kirchweg.