Hühnerkot mit Keimen wurde an Gelände von Niels Odefey gekippt. Erreger verbreiten sich über die Luft und gefährden seine Hühner.

Mehre. Multiresistente Keime hat ein Geflügelmäster aus Mehre bei Uelzen nur zehn Meter von seiner Grundstücksgrenze entfernt entdeckt. Niels Odefey fürchtet nun um die Existenz seines Neuland-Betriebs, denn die Erreger verbreiten sich über die Luft.

Von außen sieht der Haufen am Feldrand unscheinbar aus: Mehrere Zentimeter Stroh, darüber eine grüne Plane. Doch darunter, in Schlamm und Hühnerkot, verbirgt sich der Gefahrenherd. "Ich habe drei Proben entnommen", sagt Geflügelmäster Odefey, "in allen wurden ESBL- und MRSA-Erreger gefunden."

Die multiresistenten Keime sind für Kinder und Menschen mit geschwächtem Immunsystem gefährlich. "Wenn sich so jemand mit den Keimen infiziert, kann die Behandlung mit Antibiotika wirkungslos werden", sagt der Allgemeinmediziner Thomas Fein. Er hat die Proben des Geflügelmästers im Labor untersuchen lassen.

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MRSA ist der sogenannte Krankenhauskeim. Im Krankenhaus tauchte er 1961 zum ersten Mal auf. Inzwischen gibt es weitere Typen, auch bei Masttieren, die sich untereinander vermischen. ESBL ist ein Resistenzgen, eine Eigenschaft, die Bakterien erwerben können. Damit kann die Molekülstruktur fast aller gängigen Antibiotika aufgebrochen und unwirksam gemacht werden. Im Mist könnten die Erreger laut Thomas Fein gut überleben. "Sie benötigen Wasser, Sauerstoff und einige Nährstoffe. All das ist im Hühnermist vorhanden", sagt der Allgemeinmediziner.

Die Gefahr für den Geflügelmäster und seine insgesamt 1200 Tiere sieht Fein in der Verbreitung der Keime durch Wind. "Die Erreger haften sich kleinsten Staubpartikeln an und können so bis zu 500 Meter weit weggetragen werden", so Fein. "Werden sie eingeatmet, siedeln sie sich auf den Schleimhäuten an, bei den Hühnern sammeln sie sich in den Federn." Hühnerhalter Niels Odefey ist besorgt: "Nur 150 Meter entfernt laufen 500 Masthühner frei herum und in 200 Metern Entfernung sind 50 Hühner, die Eier für die Fernsehköchin Sarah Wiener liefern. Das bedroht meine Existenz."

Vor zehn Tagen seien die drei Lkw-Ladungen Hühnerkot nur zehn Meter hinter Niels Odefeys Grundstücksgrenze abgeladen worden. Odefey vermutet, dass der Besitzer des angrenzenden Feldes, ein Landwirt aus dem Ort, einen Abnahmevertrag für den Hühnerkot mit einem der fünf großen Geflügelmastbetriebe in Deutschland hat. "Ich bin tagelang von Behörde zu Behörde geschickt worden, doch niemand ist für die Kontrolle von deutschem Hühnertrockenkot verantwortlich", sagt Niels Odefey. Immerhin hat der Geflügelmäster erreicht, dass der Hühnerkot nach fünf Tagen zusammengeschoben und abgedeckt wurde.

Laut Christian Meyer, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im niedersächsischen Landtag, ist die Entsorgung des Hühnerkots gesetzlich nicht geregelt: "Hühnermäster müssen für die Genehmigung des Betriebs einmalig nachweisen, dass sie Flächen zur Kotentsorgung haben. Das wird nach unserer Erfahrung jedoch sehr lasch gehandhabt." Bevor der Mist den Landwirten geliefert wird, werde er nicht untersucht. Auch der Hühnerkot neben Niels Odefeys Mastbetrieb soll als Dünger auf das Feld gebracht werden. "Meiner Information nach, sollen im nächsten Jahr dort Speisekartoffeln angebaut werden. Denen können dann die Keime anhaften", sagt Odefey.

In den Hühnermist gelangen die multiresistenten Keime, laut Stefan Johnigk, vom Tierschutzvereins ProVieh durch den leichtsinnigen Umgang mit Antibiotika. "In Großbetrieben ist das einzelne erkrankte Huhn nicht auszumachen, darum werden alle über die Tränken behandelt", sagt der Biologe, "dabei wird das Antibiotikum oft zu schnell wieder abgesetzt und zu gering dosiert, um Geld zu sparen." Jedes Antibiotikum müsse eigentlich in einer festen Menge über einen festen Zeitraum verabreicht werden, sonst bildeten sich multiresistente Keime.

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Die sind bereits auf vielen konventionell erzeugten Produkten nachweisbar. "Die Keime hat das Bundesinstitut für Risikobewertung auf 22 Prozent des Geflügelfleisches gefunden", so der Landtagsabgeordnete Christian Meyer. Bei der Verarbeitung reiche eine gründlich Küchenhygiene. Das Geflügel solle gut durchgebraten werden und Messer und Schneidbrett anschließend abgewaschen werden. In Niedersachsen trete außerdem ab 1. April eine neue Hygieneverordnung für Tierhalter in Kraft. "Massentierhalter und Landtierärzte werden, wenn sie ins Krankenhaus müssen, vorher auf die Keime untersucht und behandelt", sagt Christian Meyer. Zudem wolle seine Fraktion eine Art "Güllekataster" im Landtag vorschlagen. Dann müssten die Landwirte untersuchen und dokumentieren, was als Dünger auf den Feldern lande.

Niels Odefey wird die Hühner in der Nähe des verseuchten Kothaufens in den nächsten Tagen schlachten. Dass ihr Fleisch mit den Keimen kontaminiert wird, schließt der Mediziner Thomas Fein aus: "Odefey schlachtet anders als in Großschlachthöfen, er nimmt die Tiere beispielsweise trocken aus, statt mit Wasser. Und auch die Eier dürften keine Erreger aufweisen."

Niels Odefey fürchtet jedoch insbesondere um seine Junghühner. Die sind nur 70 Meter von dem Feld entfernt, auf das der Dünger aufgebracht wird. "Wenn der Bauer den Mist mit einem Düngerstreuer aufbringt, werden die Keime die Distanz mit Leichtigkeit überwinden", so Odefey.