Bei den Märchentagen in Lüneburg ziehen mittelalterlich verkleidete Geschichtenerzähler und Musikanten durch die Innenstadt.

Lüneburg. Die Welt der Tragödien, Abenteuer und Romanzen mit ihren Helden und Fabelwesen ist in die Stadt eingezogen. Die ersten Lüneburger Märchentage wurden gestern in der mit Zuhörern vollbesetzten Johanniskirche eröffnet. Die Erzähler Katja Breitling, Kay Lorenz und Karin Ulex leiteten die märchenhafte Reise um die Welt. Es ging um einen Jüngling, der ein ganz spezielles Verhältnis zu seiner Harfe hat, einen himmlischen Flötenspieler, eine Alte, die den Tod in ihren Pflaumenbaum verbannte, einen Mönch und sein Silberglöckchen und einen Räuber, der am Ende doch in den Himmel kommt.

Doch schon vor der offiziellen Eröffnung am frühen Abend in der Johanniskirche mit dem Motto "Wortklänge und Klangworte" hinterließ die Welt der Märchen in der Innenstadt beim verkaufsoffenen Sonntag am Nachmittag erste Eindrücke. Die Schauspieler Burkhard Schmeer, Kerstin Kessel und Isabel Arlt vom Lüneburger Theater sowie Musiker Niklas Hagendick zogen Märchen erzählend und musizierend durch die Straßen. "Wir interpretieren Märchen auf unsere Art und führen kleine Tänze auf", sagte Isabel Arlt. Dabei ging es anrüchig, lustig und laut zu. Dem Publikum gefiel es. Viel Applaus spendeten Jung und Alt für die eigentümlichen Versionen von Rapunzel und Rumpelstilzchen. "Die Märchenaufführungen sind ein Stück Kultur und passen ins Lüneburger Ambiente", sagte Zuschauer Stefan Pilhar. Für Ulk sorgten Rotkäppchen und der Jäger. Zwei Männer steckten in den Kostümen und hielten Vorträge über die vermeintlich richtige Frettchenhaltung. Ein ausgestopftes Exemplar musste als Anschauungsobjekt herhalten.

+++ Die Märchentage auf den Spuren von Lateinamerika +++

"Ursprünglicher Zweck der Märchen war die Unterhaltung, der Zeitvertreib. Eine Geschichte wird dadurch spannend, dass sie vom alltäglichen Leben abweicht", schreibt der evangelische Pfarrer im Ruhestand Heinrich Tischner aus Bensheim in einem Aufsatz. Die Helden seien meist Kinder von Königen oder armer Leute, die oft Abenteuer mit Fabelwesen zu bestehen hätten. "Der Fantasie des Erzählers sind keine Grenzen gesetzt. Die Zuhörer leiden mit den Helden und freuen sich an ihren Erfolgen. In einer gut erzählten Geschichte lässt der Erzähler die Zuhörer nicht nur Anteil haben an den Abenteuern seines Helden, sondern auch an den Abenteuern seiner eigenen Gedanken", so Tischner weiter.

Die ersten Lüneburger Märchentage präsentieren vorrangig Erzähler aus der Region Lüneburg. Zu ihnen zählen die Organisatoren der Märchentage, die Märchenerzähler und -therapeuten Katja Breitling und Kay Lorenz aus Lüneburg sowie Karin Ulex aus Karze.

Die Hauptinitiatorin der Märchentage, Katja Breitling, erzählt regelmäßig im Kloster Lüne, war im Glockenhaus zu Gast ebenso wie im Wasserturm oder im Ostpreußischen Landesmuseum. Sie ist schon aufgetreten bei Veranstaltungen der Sülfmeisterloge. Als Märchentherapeutin wirkt sie in ganz Norddeutschland in Einrichtungen zur Suchtbehandlung und in Selbsthilfegruppen.

Kay Lorenz erzählt unter anderem Märchen aus aller Welt, unbekanntere der Brüder Grimm und orientalische Märchen bei unterschiedlichen Gelegenheiten. Ein besonderes Anliegen ist ihm die Verbreitung der Märchenarbeit in der Therapie und Pädagogik. Karin Ulex ist Deutsch-Brasilianerin. Sie hat langjährige Erfahrung als Erzählerin, vor allem in Brasilien. Sie hat Märchen und Märchenbücher ins Portugiesische übersetzt, um sie in Brasilien bekannt zu machen, und dort zudem eine eigene, kleine Serie mit Märchenheften herausgebracht.

Mit den Märchentagen wollen die Initiatoren die Vorteile des freien Erzählens und aktiven Zuhörens aufzeigen, die ihnen zufolge die Sprachkompetenz und Kreativität bei Kindern und Jugendlichen fördern, und interkulturelle Brücken bauen. "Auch wollen wir in unserer schnelllebigen Zeit Orte der Muße und Ruhe anbieten", sagen sie.

Entsprechend gestaltet sich der Reigen der Veranstaltungen in den kommenden Tagen bis zum kommenden Sonntag, 11. März. Ein Ausschnitt aus dem umfangreichen Programm: Kay Lorenz und Hans Günter Seifert bringen Zuhörern heute um 19 Uhr im Heinrich-Heine-Haus wenig bekannte Märchen der Brüder Grimm nahe.

Morgen ab 19.30 Uhr geht es im Huldigungssaal des Rathauses um Märchen aus den Hanseländern. Ebenfalls morgen gibt es "Märchengenüsse hinter Klostermauern". Ab 15 Uhr geht es durch die historischen Räume, den Hof und den Garten des Klosters Lüne. Eine Vollmondnacht im Wasserturm steht ganz im Zeichen des Weltfrauentages am Donnerstag, 8. März. "Was wollen Frauen wirklich?", heißt es ab 18 Uhr. Das Programm der Märchentage ist im Internet nachzulesen auf der Seite www.maerchentage-lueneburg.de .