Eine Glosse von Harry Grunwald

Es gibt Momente, in denen man der bitteren Wahrheit nicht mehr ausweichen kann. Seit Monaten habe ich einen weiten Bogen um die Waage im Badezimmer gemacht, bei der Hosen-Anprobe im der Umkleidekabine des Kaufhauses werde ich gnadenlos mit den Tatsachen konfrontiert: Wieder eine Größe mehr. Eigentlich kann das gar nicht sein, denn die Hosen der bisherigen Größe haben doch gepasst. Aber wahrscheinlich sind sie mit dem Bauch mit gewachsen, haben sich nach und nach etwas geweitet. Die neue Hose der alten Größe ist eindeutig zu eng. Der oberste Knopf und der Reißverschluss gehen nur bei krampfhaft angehaltenem Atem zu. Bei aller Eitelkeit, wer will schon so herumlaufen?

Der Griff zum Modell mit dem weiteren Hosenbund fällt richtig schwer, aber die Alternative wäre der Verzicht auf die neue Hose. Das geht schon gar nicht, denn ich brauche eine neue Hose. Der Kauf dieses Kleidungsstücks ist das Eingeständnis einer Niederlage. Es gab doch die besten Vorsätze, einen Diätplan, der diesmal bestimmt eingehalten werden sollte, drei Kilo weniger in vier Wochen.

Da helfen nur noch Ausreden, sonst ist die Stimmung endgültig im Keller. Andere sind noch viel dicker, die Hageren sind meistens schlecht gelaunt, und wer bestimmt überhaupt, welches das Idealgewicht ist. Ich folge meinen eigenen Bedürfnissen und gehe mit der neuen Hose in der Einkaufstüte ins nächste Café. Bitte ein Stück Marzipantorte mit Sahne, über das Abnehmen reden wir später.