Zahlreiche Initiativen setzen sich für eine nachhaltige Entwicklung in Lüneburg ein. Nie zuvor war das Thema Regionalität so präsent.

Lüneburg. Mit "Igel" hat es angefangen, mit den "Zukunftsgenossen" wird es nicht aufhören. Immer mehr Menschen tun sich in Lüneburg zusammen, um für alternative Energie zu streiten. Der Trend hört beim Thema Energie nicht auf: Das Thema Regionalität ist in Gruppen und Arbeitsgemeinschaften so präsent wie nie zuvor. Jetzt wollen sich die beteiligten Vorreiter zu einem Netzwerk zusammenschließen.

Es ist rund sieben Jahren her, und auf dem Energiemarkt war von Freiheit noch nicht viel die Rede. Rebellische E.on-Avacon-Zwangskunden gründeten daher die "Interessengemeinschaft Energiepreise Lüneburg", kurz "Igel". Sie wehrten sich gegen Preiserhöhungen des einstigen Monopolisten beim Erdgas, legten Widerspruch ein. Ruhig geworden ist es um "Igel", seit es auch in Lüneburg mehrere Anbieter für Erdgas gibt.

Noch ganz neu dabei in Sachen Energie sind die "Zukunftsgenossen", seit Oktober vergangenen Jahres eine geschäftsfähige Genossenschaft. Jetzt steht ihr erstes Projekt kurz vor der Umsetzung. Ziel der Vereinigung ist es, selbst Energie in der Region zu erzeugen. Zunächst mit Fotovoltaik-Anlagen, später mit Beteiligungen an Windrädern und Blockheizkraftwerken. "Eine Genossenschaft ist die demokratischste Form überhaupt", sagt Vorstandsmitglied Horst Jäger. "Denn jeder Genosse hat nur eine Stimme, egal, wie viele Anteile er hält."

Jäger ist einer von denen, die mitmischen bei den neuen Bürgern, denen, die selbst etwas verändern wollen, auf die Region gerichtet denken - und handeln. Vor Jahren schon gründete Jäger mit einigen Mitstreitern die Regionalwährung Lunar, ein Projekt, das Wirtschaftkreisläufe in der Region stärken soll. Die Gruppe der Globalisierungskritiker von Attac, die Vereine "SunOn Sonnenkraftwerke für Lüneburg", "Agenda 21" oder auch "Technik-Umwelt-Natur" - sie alle arbeiten schon lange in dem aufstrebenden Bereich.

Erst kürzlich gestartet ist dagegen die Diskussionsreihe "Dialog N" von Thore Debor und Annegret Kühne - das "N" steht für Nachhaltigkeit. Als Möglichkeit der Vernetzung für die schon länger engagierten Akteure versteht Thore Debor den Dialog N: "Ob Umweltfilmtage, Zukunftsgenossen, Marktbeschicker oder Streuobstwiesenverein. Initiativen und Akteure, die sich eine nachhaltige Entwicklung zum Ziel setzen, um nachfolgenden Generationen keine schlechteren Lebensbedingungen zu hinterlassen, gibt es viele in Lüneburg."

Gemeinsam mit Annegret Kühne will der Uni-Dozent und Freiberufler Menschen und Initiativen zusammenbringen. Das ist ihnen gelungen: Allein 50 Menschen kamen zum Auftakt des neuen Forums und riefen Diskussionstische zu den Themen Ernährung, Werte und Ethik, Arbeit, Mobilität und Bauen ins Leben, deren Teilnehmer sich ab sofort unter der Moderation von Ehrenamtlichen regelmäßig treffen. Das jeweilige Oberthema dabei: Wie sieht ein gutes, zukunftsfähiges Lüneburg aus?

Gut ein Jahr alt ist die Lüneburger Gruppe der aus Großbritannien stammenden Bewegung "Transition Town", übersetzt "Stadt im Wandel". Im vergangenen Winter gegründet, gehören ihr zwischen zehn und 20 Aktive an. Kathrin Schulz ist eine von ihnen. Sie sagt: "Den anstehenden Wandel wollen wir positiv gestalten. Wir wollen zeigen, dass jeder vor Ort sich beteiligen und an einem Wandel mitwirken kann." Thema ist nicht nur Energieversorgung, sondern auch Ernährung.

Dass es bei dem neuen Trend um mehr als Debatten geht, zeigt die Entwicklung der "Zukunftsgenossen". Sie bekommen Unterstützung von unternehmerischer Seite. "Bürger, die in Genossenschaften organisiert sind, sind ein super Modell", sagt Dr. Thomas Banning, Vorstandssprecher der Naturstrom AG. Die Aktiengesellschaft wird den Lüneburgern voraussichtlich mit einer Anschubfinanzierung unter die Arme greifen und einen zinsgünstigen Kredit für das erste Projekt in Höhe von 50 000 Euro geben.

"Das hilft uns sehr", sagt Horst Jäger. Geplant ist eine Solaranlage auf dem Dach der neuen Halle von Holz Herbst im der Goseburg, die gerade gebaut wird. Die deutschen Module, eingesetzt von regionalen Handwerkern, sollen in einigen Monaten in Betrieb gehen. Die zunächst geplante Fläche auf dem Dach der Spedition Hiller konnte wegen Problemen mit der Statik nicht installiert werden.

Rund 350 000 Euro wird die erste große Investition der "Zukunftsgenossen" betragen, bei einer geplanten Bürgerversammlung wollen sie über ihr Modell informieren - und um weitere Genossen werben. Ein Termin steht noch nicht fest.

In der Politik haben Jäger und sein Team bereits offene Türen eingerannt: Die Fraktion und einzelne Mitglieder der Grünen sind bereits Genossen, einige Sozialdemokraten ebenfalls. Und die Stadt kaufte als Erste überhaupt Anteile an der Genossenschaft. Insgesamt 30 Frauen und Männer haben bereits Geld investiert, eine Rendite versprechen die "Zukunftsgenossen" nicht. "Wir rechnen aber mit zwei bis vier Prozent Zinsen", sagt Jäger.

Dass die Lüneburger ausreichend Unterstützer zusammenbekommen, daran hat der Initiator keine Zweifel. Aufbauende Worte kommen von Ralf-Peter Janik vom Genossenschaftsverband Weser-Ems e.V. in Oldenburg: "Die Bürger sind bereit, sich zu beteiligen. Für uns war es nie ein Problem, das Eigenkapital für die Genossenschaften zusammen zu bekommen. Wir haben bislang mehr als 50 einzelne Bürger-Energiegenossenschaften gegründet."