Die Scharnebeckerin Karin-Ose Röckseisen erhält das Verdienstkreuz am Bande. Engagement zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben.

Lüneburg. "Oh, Ose, die Soziale", riefen bereits die Freundinnen, sobald Karin-Ose Röckseisen wieder einmal für andere einen Topflappen häkelte oder das Knopfloch nähte. Die 72-Jährige zuckt mit den Schultern. Schon immer habe sie den Drang verspürt, anderen zu helfen: "Mein Herz - es muss ein doppeltes sein - ist größer als mein Körper."

Ihr Engagement und der vorbildliche Dienst am Nächsten ziehen sich wie ein roter Faden durch das Leben der gebürtigen Ostpreußin. Dafür nimmt sie heute eine besondere Auszeichnung aus den Händen von Landrat Manfred Nahrstedt entgegen. Im Auftrag des Bundespräsidenten übereicht er ihr das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Das kleine Kreuz ehrt das große Lebenswerk einer Frau, die, obwohl zart an Statur, stark und aufrecht durchs Leben geht. Und immer noch hebt sie ihre Stimme und krempelt die Ärmel hoch. Gekniffen hat sie übrigens nie, geschwiegen selten. Im Gegenteil. Es gibt kaum etwas, das Karin-Ose Röckseisen im sozialen oder kulturellen Bereich ihrer Samtgemeinde in den vergangenen Jahrzehnten nicht angestoßen oder begleitet hat.

Politisch engagierte sich die Grande Dame der FDP seit Anfang der 80er-Jahre. Im Kreistag bescherte sie den politischen Weggefährten zahllose Anregungen und originelle Anträge. In einem letzten beantragte sie im vergangenen Oktober eine Amtskette für den Landrat: "Warum sollte ein Landrat, der einem Oberbürgermeister ebenbürtig ist, keine Amtskette tragen?", fragt die Scharnebeckerin. Beachtlich ist zudem das journalistische Engagement der Pädagogin als ehrenamtliches Redaktionsmitglied der Dorfzeitung Scharnebeck.

Ihre mit "rö" gekennzeichneten Artikel informieren, regen an und rufen bei sozialen Missständen zu sozialem Verhalten auf. "Sie ist Auge, Ohr und Mund in der Gemeinde. Jemand, der die anderen aus dem Schlaf weckt", sagt Joachim Pflücker. Er, der Brietlinger Günter Harder und der Dahlenburger Literaturwissenschaftler Klaus Behr haben Karin-Ose Röckseisen für die Auszeichnung vorgeschlagen.

Seit mehr als 30 Jahre engagiert sich Röckseisen in der Kommune für ihre Mitmenschen. Jahrelang betreute sie einen psychisch kranken Menschen, war Mitglied der Gruppe Helfen-Helfenlassen, brennende Jugendschöffin - "ich hab' mit den Richtern gerungen" - und Initiatorin der Schachecke Scharnebeck. Einmal jährlich organisiert sie unter dem Motto "Ost-West-Brücken-Schachturnier" ein Treffen mit Spielern aus Trittau (Amt Neuhaus). Dabei wird für den Bau der Elbbrücke zwischen Lüneburg und dem Amt Neuhaus gesammelt. "1600 Euro sind bisher zusammengekommen. Das Geld habe ich dem Landkreis gespendet", sagt Karin-Ose Röckseisen.

Als Kulturbeauftragte der Samtgemeinde Scharnebeck organisiert sie seit fast zwölf Jahren in der Domäne Scharnebeck regelmäßig Veranstaltungen. Ein großes Anliegen war ihr die Aufstellung einer Fußgängerampel in Scharnebeck, an der viele Schulkinder täglich die Straße im Ort kreuzen. Als Mitbegründer des Fördervereins für den Inselsee in der Gemeinde hat sie sich für den Erhalt des Naturbadsees eingesetzt. "An den Arbeiten beteiligte sich Frau Röckseisen bis zur körperlichen Erschöpfung", sagt Günter Harder.

Ihr auffallendes Durchsetzungsvermögen mag aus ihrer "verbrecherischen Kindheit" herrühren. "Um die Familie zu ernähren, habe ich eimerweise Äpfel und Pflaumen geklaut. Aus dem Schrank meiner Mutter mopste ich 20 Zigarette für den Kauf eines Kaninchens mit Stall." Das Weibchen warf Junge, und die Familie genoss dann und wann einen Sonntagbraten. Das alles begab sich in Glücksburg, wohin es die Flüchtlingsfamilie verschlagen hatte. Röckseisens Großmutter war eine geborene von Armin, die Mutter eine von Nordenskiöld. Aus dieser Familie stammt der finnlandschwedische Polarforscher Nils Adolf Erik Baron Nordenskiöld, der als Entdecker der Nordostpassage in die Geschichtsbücher einging.

Bis heute erinnert der zweite Vorname der Scharnebeckerin, Ose, an die schwedischen Vorfahren; Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen an den Uronkel. Ihr geblieben ist der unermüdliche Wille, anderen zu helfen. Landrat Manfred Nahrstedt fasst es in folgenden Worten zusammen: "Es ist vorbildlich, wie Frau Röckseisen ihre persönliche Überzeugungskraft und ihr Organisationstalent zum Nutzen der Allgemeinheit einsetzt."