Radio ZuSa aus Lüneburg hat eine neue Niederdeutsch-Redaktion. Nächstes Thema ist die Hamburger Sturmflut von 1962. Platt wieder gefragt.

Lüneburg. Entweder man kann es, dann hat man es meist nebenbei gelernt, oder man kann es nicht und versteht nur Bahnhof. Die Rede ist von Plattdeutsch. Etwa acht Millionen Menschen weltweit sprechen Schätzungen zufolge die norddeutsche Regionalsprache. Einer von ihnen ist Claus Lühr. Der Landwirt aus Winsen ist Plattsnacker aus Leidenschaft. Und diese Leidenschaft treibt ihn einmal im Monat vors Mikrofon bei Radio ZuSa, wo er für Fans in der Heide, der Elbmarsch und im Wendland die Sendung "Hüüt snackt wi Platt" moderiert.

Nachdem der langjährige Moderator Herbert Timm Ende vergangenen Jahres angekündigt hatte, künftig kürzerzutreten, stand die Zukunft der Sendung kurzzeitig auf der Kippe. Zuvor hatten Timm und Lühr die Sendung viele Jahre gemeinsam gestaltet. "Als mir die Sendung mit Herbert Timm damals angeboten wurde, dachte ich nur: 'Oh Gott, das ist doch mein alter Schuldirektor'", sagt Claus Lühr und lacht. Doch das Moderatorenduo ergänzte sich perfekt, keine einzige Sendung der beiden fiel aus. "Aber allein kann man das nicht leisten", sagt Claus Lühr. "Außerdem habe ich noch zwei andere Sendungen, das schaffe ich gar nicht. Also haben wir einen Aufruf gestartet, und auf den haben sich so viele Interessierte gemeldet, dass es nun mit frischer Kraft doch weitergeht."

Zu dem neuen Team gehört auch Klaus Becker, der seit 30 Jahren im Hamburger Hafen arbeitet. Dort kontrolliert der gebürtige Hamburger, der jetzt in Wulfsen lebt, als Tallymann die Ladung der Schiffe. Für die Redaktion ist er ein echter Gewinn, weil er nicht nur fließend Platt spricht, sondern sich auch mit Radiotechnik auskennt. Seit einigen Jahren moderiert er gelegentlich in der Asklepios Klinik Hamburg-Barmbek das Krankenhausradio.

+++ ZuSa - Zucker und Salz +++

Jürgen Bardowicks, ebenfalls neues Redaktionsmitglied, zieht nach der ersten Sendung ein positives Fazit. "Doch, das macht Spaß", sagt der Bardowicker, der kein Lampenfieber kennt. "Seit mehr als 30 Jahren trete ich als Alleinunterhalter bei privaten Festen auf, außerdem bin ich im Erntedankverein in Bardowick und habe da schon vor mehreren Tausend Menschen gesprochen", sagt Bardowicks, der seit seiner Kindheit mit dem Niederdeutschen vertraut ist. Allerdings müsse er sich für die Moderation und bei der Produktion der Beiträge schon konzentrieren. "Denn das Tagesgeschehen läuft bei mir wie bei den meisten auf Hochdeutsch ab."

Claus Lührs Eltern haben Wert darauf gelegt, Hochdeutsch mit ihm zu sprechen. "Die Kinder damals, die nur Platt sprachen, hatten meist ziemliche Probleme in der Schule. Das wollten mir meine Eltern wohl ersparen. Aber wenn Leute zu meinem Vater auf den Hof kamen, wurde nur Platt gesprochen." Niederdeutsch wird nicht nur gesprochen, sondern auch gedruckt. Literatur auf Platt ist das Faible von Christel Stallbaum. Die Pensionärin spricht seit ihrer Kindheit fließend Platt und hat sich spontan auf den Aufruf bei Radio ZuSa gemeldet.

Was früher als Makel galt, ist heute wieder angesagt. Viele Eltern in der Region nehmen ihre Kinder gern zu plattdeutschen Nachmittagen mit. Auch in Kitas und Grundschulen werden die Angebote, Niederdeutsch zu lernen, gut angenommen. Das Interesse lässt meist erst später nach. Vor allem Jugendliche finden Niederdeutsch oft alles anderes als cool. Dabei gibt es inzwischen eine kleine Szene mit jungen Bands, die ausschließlich in der Regionalsprache singen. Jonas Trautvetter schert sich nicht ums Image. Der 16-Jährige aus Garstedt ist neugierig auf seinen Moderationsjob im Bürgerfunk.

Thematisch soll es in der Sendung bunt zugehen. "Wir erarbeiten gemeinsam Themen. Und dann gibt es immer einen regionalen Nachrichtenblock und Veranstaltungstipps", sagt Claus Lühr.

In die folkloristische Ecke wollen sich die Plattsnacker aber nicht stellen lassen. Auch Aktuelles und Politik sollen zur Sprache kommen, eben das, was die Menschen bewegt. Wenn es sich anbietet, wollen sich die Moderatoren auch Studiogäste vor das Mikrofon holen. Zum Beispiel in der kommenden Sendung, in der es um die große Hamburger Sturmflut 1962 geht, berichten Zeitzeugen von ihren Erlebnissen.

Wer jetzt denkt, er wisse alles über die niederdeutsche Sprache, sei gewarnt. Die Experten können unterschiedliche Betonungen bestimmter Worte Regionen zuordnen. Denn Platt ist nicht gleich Platt. Es gibt noch ein anderes Format in dem Bürgersender Radio ZuSa, das in der norddeutschen Regionalsprache gesendet wird. "Die Kollegin kommt aus Nienburg und spricht eher Weserplatt. Das klingt anders als das Heidjer Platt, das wir sprechen", sagt Claus Lühr. Sein Redaktionskollege Jürgen Bardowicks ergänzt: "Das Bardowicker Platt klingt anders als das Platt, das acht Kilometer weiter gesprochen wird. Und das ist wieder anders, als das Hamburger Platt." Erstaunlicherweise falle die Verständigung unter Plattsnackern unterschiedlicher Regionen jedoch leicht, sagt Jürgen Bardowicks.

Zwischen den Beiträgen läuft Musik. Natürlich auch auf Platt. Wer die erste Sendung des neuen Teams nachhören möchte, schaltet am Sonntag, 22. Januar, um 12 Uhr Radio ZuSa ein.