SPD schwenkt zu den Grünen. Die Chemie stimmt nicht mehr mit dem alten Gruppenpartner CDU

Lüneburg. "Eine Partnerschaft zwischen SPD und CDU soll sich an Verlässlichkeit, Vertrauen und Zuversicht orientieren." So haben es die Mitglieder der Kreistags-Fraktionen am 29. Oktober 2006 beschlossen und besiegelt. Dreieinhalb Jahre später ist die Verlässlichkeit weg, das Vertrauen zerstört, die Zuversicht aufgebraucht. Was im Rat der Stadt Lüneburg gelingt, ist im Kreistag gescheitert: die große Koalition.

Am Donnerstagabend hat die Fraktion der Christdemokraten mit 17 zu 3 Stimmen beschlossen, wofür der CDU-Parteivorstand bereits im Herbst vergangenen Jahres plädiert hatte: das Ende der Gruppe. Die SPD hatte nach der Kreistagssitzung Anfang der Woche ähnliche Überlegungen angekündigt, sich aber bis zum Sommer Bedenkzeit genommen.

Die brauchen die Sozialdemokraten jetzt nicht mehr, sondern können die Zeit nutzen für Gespräche mit dem designierten neuen Gruppenpartner. Mit 19 Sitzen der SPD und 7 der Grünen hätte Rot-Grün eine Mehrheit im Kreistag. Die CDU, größte Fraktion des Gremiums mit 20 Köpfen, wechselt damit freiwillig in die Opposition.

"Die anfänglichen Gemeinsamkeiten sind offensichtlich aufgebraucht", sagte CDU-Fraktionschef Alexander Blume gestern der Lüneburger Rundschau. "Seit der Debatte im Herbst haben wir bei der Haushaltssanierung nicht die notwendige Unterstützung der SPD." In dem Zusammenhang stehe auch der Lüneburg-Vertrag, gegen den am Montag wie berichtet ein Großteil der Christdemokraten im Kreistag gestimmt hatte.

"Wir mussten feststellen, dass wir mit unseren Argumenten nicht weiterkommen", sagte Blume. "Und zwar ohne, dass uns Sachargumente entgegengehalten wurden. Es wurde bei den Sozialdemokraten mehr auf der Gefühlsebene argumentiert."

Der Christdemokrat äußerte zudem den Verdacht, SPD und Grüne hätten schon länger hinter dem Rücken der CDU "intensiv Kontakt" gehalten. "Es machte den Eindruck, wir stören im Grunde nur noch." Das Vertrauen sei nach und nach zerstört worden, durch "Sticheleien" und "Unwahrheiten". Lange habe in der CDU eine gemischte Stimmung zur Gruppe geherrscht, jetzt sei sie bis auf die drei Doppelmandatsträger einheitlich gewesen. Das habe ihn selbst auch überrascht.

Warum in derselben Region dieselbe Gruppe einmal funktioniere und einmal nicht, hat laut Blumes Einschätzung mit "Personen, Erfahrungen und Historie" zu tun. Dass seine Kollegen in der Stadt weiter mit der SPD zusammenarbeiten wollen, "respektiere ich".

Blumes Fraktionskollege Dr. Gerhard Scharf hat gegen die Auflösung der Gruppe gestimmt. Der doppelte Abgeordnete in Kreistag und Stadtrat sagte gestern zur Rundschau: "Die Projekte, die wir angeschoben haben, möchte ich auch zu Ende bringen." Warum es trotzdem zum Bruch gekommen ist, erklärte Scharf mit persönlichen und sachlichen Gründen: "Die persönliche Vertrauensbasis zwischen den handelnden Akteuren ist in der Stadt größer. In den Vorständen im Kreis sehe ich sie nicht immer gegeben."

Dass es zum Bruch gekommen sei, könne er verstehen. "Die Gesprächsbasis ist anders." Bringe man im Stadtrat grundsätzlich Anträge gemeinsam ein und stimme darüber auch gemeinsam ab, funktioniere das im Kreistag nicht immer, sagte Scharf: "Die SPD ist oft vorgeprescht und hat uns im Regen stehen lassen."

Auf der Sachebene seien die Gründe im Lüneburg-Vertrag zu finden. Scharf selbst hat zwar dafür gestimmt, habe im Vorwege die eigenen Fraktionskollegen aber nicht von seinem Kompromissvorschlag überzeugen können, die Jugendhilfe-Kosten der Stadt jährlich zu prüfen. Sie waren wesentlicher Kritikpunkt in den Reihen der Kreis-CDU.

Für den Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten im Kreistag, Franz-Josef Kamp, war die "konstruktive Zusammenarbeit seit dem Votum des CDU-Parteivorstands im Herbst nicht mehr so gegeben", das "Verhältnis in Teilen zerrüttet".

In der Diskussion um den Lüneburg-Vertrag kann Kamp die Kreis-CDU "überhaupt nicht" verstehen, die Stadt-CDU habe schließlich auch zugestimmt. Dort funktioniere die Zusammenarbeit, "weil die CDU vermutlich verhandlungs- und kompromissbereiter ist". Kamp: "Im Kreis gibt es Betonköpfe, die an einer Zusammenarbeit nicht interessiert sind."

Er habe seinen Kollegen Blume nach der Kreistagssitzung schriftlich auf die Zukunft der Gruppe angesprochen, die Antwort habe er öffentlich durch das Fraktions-Votum der CDU bekommen. Jetzt blickt er in Richtung Grüne: "Wir haben in letzter Zeit Schnittstellen erkannt."

Keine konkrete Antwort auf die Frage, warum dasselbe Konstrukt einmal funktioniert und einmal scheitert, wollte der Gruppensprecher im Rat und Kreistagsabgeordnete Heiko Dörbaum (SPD) geben: "Offensichtlich ist die Übereinstimmung in der Stadt stärker ausgeprägt, was die Gemeinsamkeit angeht, den Kreis und die Region zu entwickeln", sagte er.

Dörbaum stellte dabei gleichzeitig klar: "Ich habe in der Stadt keine Zweifel, dass wir weiter gemeinsame Ziele verfolgen." Er bedaure das Aus der Gruppe im Kreistag, trage die Entscheidung seiner Fraktion dort aber selbstverständlich mit. Auch im Rat der Stadt von Schwarz auf Grün als Gruppenpartner zu wechseln, kommt für den Sozialdemokraten nicht in Frage: "Unsere Vereinbarung mit der CDU wird von beiden Seiten eingehalten. Dort sind Verlässlichkeit, Vertrauen und Zuversicht noch gegeben."