Hans Jürgen Gündling bietet in seinem Keller Aufführungen für Liebhaber, steht dort aber nie selbst auf der Bühne

Lüneburg. Der Mann lacht viel beim Erzählen. Er macht große Gesten und steht auch immer mal wieder zwischendurch aus dem schon etwas abgegriffenen Ohrensessel auf, um dem Gesagten mehr Raum zu geben. Hans Jürgen Gündling ist Theaterschauspieler, und das wusste er schon sehr früh, wie er sagt. Obwohl er eigentlich Pfarrer werden wollte. Auf seiner Liebhaberbühne im Keller seines Wohnhauses an der Goethestraße 12 lässt er seit Jahren Theaterstücke aufführen. Am Sonnabend, 19. und Sonntag, 20. Juni, jeweils um 16 Uhr, gibt es einen plattdeutschen Nachmittag mit Georg Becker und Resi Kuhnt. Titel: "Allerlei Lüüd"

Mit der drohenden Rente kam das eigene Theater im Keller

"Eröffnet habe ich meine Bühne am 5. September 2003", sagt Gündling, der erst vor kurzem seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert hat. Das Alter sieht man dem aufrechten Mann mit dem freundlichen Gesicht und den Lachfältchen um die Augen nicht an. "Als meine Rente drohte, da habe ich das Theater bei mir im Keller eingerichtet", sagt er und muss über seine Formulierung schmunzeln. "Na ja, wenn für jemanden wie mich das Alter kommt, dann ist so eine Verrentung ein wirkliches Ärgernis", schiebt er dann noch hinterher. Schließlich sei das Theaterspielen sein Hobby und seine Berufung. Irgendwann werde er auf der Bühne umfallen und tot sein, aber nicht auf seiner eigenen. "Ich spiele nicht in meinem Theater. So vermessen und gut bin ich nicht."

Hans Jürgen Gündling spielt aber immer noch auf vielen anderen Bühnen in Deutschland. "So finanziere ich mein Theater. Mit meiner Rente, dem Zuverdienst über Engagements dem, was von den Zuschauern im Körbchen landet", sagt er und meint damit den freiwilligen Obolus des Publikums nach der Vorstellung. Denn Eintritt nimmt Gündling nicht.

Hans Jürgen Gündling wurde 1940 in Köln geboren. Aufgewachsen ist er im Bergischen Land auf einem Gutshof direkt an der Wupper. "Ich hatte eine wunderbare Kindheit, was war das schön zwischen den Scheunen und Remisen herum zu tollen." An Theater sei er schon im Alter von sieben Jahren interessiert gewesen. Sein erstes Stück war eine winzige Rolle in "Gräfin Mariza". "Ich war elf und hatte nur einen Satz zu sprechen, doch ich kam auf der Bühne ins stolpern und ehe ich mich wieder gefangen hatte, war mein Einsatz schon vorbei. Die anderen spielten einfach weiter." Hinterher habe er mit einer Freundin auf einer Steintreppe gesessen und war sich sicher "Theaterspielen, das wird mal mein Beruf."

Bis Gündling schauspielern tatsächlich zum Beruf macht, vergehen Jahre und zweieinhalb Semester Theologiestudium an der Hochschule in Bonn. Er lernt an der Schauspielschule in Köln und tingelt als Bühnenschauspieler durch Deutschland: Aachen, Leverkusen, Wuppertal, Bremen, Iserlohn, Bremerhafen, Rendsburg. "Nie war ich länger als zwei Jahre an einem Ort", sagt Gündling korrigiert sich gleich darauf. "In Rendsburg war ich sieben Jahre, weil unser Sohn dort die Rudolf Steiner Schule besuchte."

Gündling stand mit den Großen des Theaters auf der Bühne

Ab und zu reizt es ihn einfach - dann geht er ins Internet und googelt seinen Namen. "Als Schauspieler ist man ja eitel." Dabei wundere er sich jedes Mal, wie viel er schon gemacht hat und wo er schon überall war. "Einiges hatte ich schon ganz vergessen."

Immer habe man ihn zu den Bühnen geholt. "Nur vier Mal habe ich in meinem Leben vorgesprochen", sagt der Schauspieler, "und das ist dann auch jedes Mal schief gegangen." Einmal habe ihn ein Regisseur direkt aus dem Zug geholt, als dieser gerade einen Zwischenstopp machte. "Für die Rolle des Polizisten in Pipi Langstrumpf warb er mich an. Ich war irgendwo zwischen Bremerhafen und Bremen." Gündling nahm die Rolle an. Ein zweites Mal befand er sich gerade mit seinem Mofa auf einer Landstraße bei Ingoldstadt.

Nach Lüneburg sei er 1987 von Thomas Bayer, damals Intendant am Lüneburger Theater, geholt worden. "Ich spielte nur eineinhalb Jahre hier. Das war nicht mein Ding." Aber in Lüneburg wollte er wohnen bleiben. "Die Stadt ist verkehrstechnisch erste Sahne", sagt Gündling und holt aus. "Nennen Sie mir mal einen anderen Ort von dem sie in zwei Stunden in Berlin, in vier Stunden in München und in 30 Minuten in Hamburg sind." Aber auch die Lüneburger habe er ins Herz geschlossen. "Es sind liebe und anhängliche Menschen", sagt er und es klingt kein bisschen trivial.

Mit vielen namhaften Schauspielern habe er schon auf der Bühne gestanden. Mimen wie Inge Meysel, Franz Otto Krüger, Edgar Bessen, Gerhard Riedmann, Heinz Drache. "Alle tot." Das sei das Problem an seinem Alter. "Je älter man wird, desto mehr drängt die Zeit, doch ich habe noch einiges los zu machen."

Als nächstes steht ein Plattdeutscher Nachmittag auf dem Programm

24 Stücke plus diverse Sonderprogramme bietet Hans Jürgen Gündling, der Bürokraft, Putzfrau, Spielraumgestalter, Spielleiter und das Mädchen für alles ist, im Jahr auf seiner Liebhaberbühne, die er - in Anspielung auf die Zahl der Plätze - auch "Theater der Zwanzig" nennt, an. Bei ihm treten Schauspielerkollegen aus ganz Deutschland auf. Die Stücke sind wegen des begrenzten Raums allerdings auf höchstens vier Personen beschränkt. Dafür komme man aber den Schauspielern sehr nah, sowohl auf der Bühne als auch hinterher bei Sekt und Knabberzeug in Gündlings Wohnung. "Das ist mir wichtig. Die Leute sollen Gelegenheit haben mit den Schauspielern zu sprechen", sagt er. Karten müssen unter 04131/76 15 59 reserviert werden.