Interwiew mit Maria-Eleonora Karsten, Professorin am Institut für Sozialpädagogik der Leuphana Universität.

Lüneburger Rundschau:

Wollten Sie sich eigentlich schon immer für die Gleichberechtigung der Frauen in der Wissenschaft einsetzen?

Maria-Eleonora Karsten:

Ja, eigentlich schon seit der Zeit meines Studiums. Als das Land Niedersachsen 1990 damit begann, Frauen- und Gleichstellungsbüros in den Kommunen einzurichten, habe ich den Prozess aktiv in den Hochschulen unterstützt. An der Lüneburger Universität war ich 15 Jahre lang nebenberuflich als Gleichstellungsbeauftragte tätig. Dabei war ich an allen Personalverfahren und Organisationsfragen zum Thema Gleichberechtigung beteiligt. Und das bin ich jetzt immer noch in meiner Fakultät.

Warum gibt es überhaupt Unterschiede zwischen Männer- und Frauenberufen?

Da wirken ganz viele Institutionen und Instanzen zusammen. Im Grunde beginnt die Einteilung in Junge oder Mädchen bereits bei der Frage nach der Farbe des Strampelanzugs: Rosa oder Blau? Diese Kategorisierung setzt sich auch in der Berufswahl fort. Deshalb landen Männer oft in Führungspositionen - obwohl Frauen meist die besseren Abschlüsse vorweisen. Außerdem preferieren Männer ihrerseits häufig Männer. Ein Teufelkreis.

Was muss sich ändern, umgeschlechtstypische Rollenmuster aufzubrechen?

Nach vielen Jahren der Forschung bin ich der Meinung, dass dieses neue Verhalten ganz bewusst erlernt werden muss. Jungen sollten sich einen Teil vom Verhalten der Mädchen aneignen und andersherum. Dazu brauchen wir gute Kinderinstitutionen, Ganztagsschulen und eine Verknüpfung dessen, was wir haben: Schulen, Vereine, kirchliche Institutionen und Stadtteilhäuser müssen sich vernetzen.

Und wie lange wird es Ihrer Ansicht nach noch dauern, bis ein Umdenken in der Gesellschaft erfolgt ist?

Es hat sich schon eine ganze Menge getan. Wenn alles gut geht, brauchen wir noch 20 bis 30 Jahre. Nicht, weil alle klüger geworden sind, sondern weil der demografische Wandel uns zwingt: Ab 2025 müssen viele über Gleichstellung nachdenken, weil die Bevölkerungszahl so rapide sinkt. Das bedeutet, dass es weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt. Deshalb müssen wir uns neue Arbeitsmodelle ausdenken.