50 bis 100 Gewänder wollen Rotraud Kahle und Susanne Kebbel bis zum Hansetag in Lüneburg im Sommer 2012 zusammen haben.

Lüneburg. Die Idee zu dem Vorhaben hat Rotraud Kahle aus Tartu in Estland mitgebracht: "Im Jahr 2005 war ich dort beim Hansetag. Viele der Mitwirkenden trugen Kostüme im Stil der Hansezeit, das sah sehr gut aus. Ich dachte mir, so etwas muss doch auch in Lüneburg möglich sein", erzählt sie.

Um die Lüneburger für den Hansetag einzukleiden, rief sie gemeinsam mit Schneiderin und Designerin Susanne Kebbel einen Volkshochschulkurs ins Leben. Dort können Interessierte lernen, wie man nach Originalvorlagen aus dem späten 15. Jahrhundert die Kleidung der Gotik anfertigt. "Eine große Hilfe beim Herstellen der Schnitte waren die Bilder des Altars der St. Johanniskirche", sagt Rotraud Kahle. Dort ist in farbenprächtigen Szenen die Geschichte der Heiligen Ursula nacherzählt. "Sehr gut zu erkennen ist die Kleidung der dargestellten Personen. Während der Adel sich üppig in Pelzen und Seide präsentiert, sind die unteren Stände sehr schlicht gekleidet", sagt Rotraud Kahle.

Kleiderordnungen bestimmten, welche Materialien und Farben getragen werden durften: "Samt und Seide gab es nur für den Adel, für das einfache Volk blieben Leinen und Wolle", sagt Susanne Kebbel. Verheiratete Frauen hatten den Kopf mit einem Tuch zu bedecken, und die Länge der beliebten Schnabelschuhe durfte sich ihr Besitzer auch nicht aussuchen. "Zwei Fußlängen waren dem Adeligen erlaubt, mehr nicht", sagt Rotraud Kahle, die sich jahrelang mit der Kostümgeschichte des Mittelalters vertraut machte und auch den Grundstein für den Kostümfundus des Arbeitskreises Lüneburger Altstadt (ALA) legte.

Nach Lust und Laune konnten unsere Ahnen also nicht in den Kleiderschrank greifen. "Viele Menschen besaßen nur ein Gewand. Stoffe waren teuer", sagt Susanne Kebbel. Die Gewänder, die sie mit ihren Kursteilnehmerinnen anfertigt, orientieren sich streng am Stil der Zeit: "Frauen trugen ein Unterkleid und darüber ein Gewand, das vorne in Falten gelegt wurde, damit es bei einer Schwangerschaft weiter getragen werden konnte."

Spaß an modischen Extras hatte die Damenwelt auch im 15. Jahrhundert: Mit Taschen, die an einer Kordel getragen wurden, mit modisch geknüpften Kopftüchern und gerafften Röcken versuchte man, sich von den Anderen abzuheben. Die Männer aus einfachen Ständen hatten weniger Auswahl: Kittel, Beinkleid und Kapuze, Gugel genannt, das war es schon. Die engen, aufregenden Beinlinge dagegen waren den besseren Ständen vorbehalten. "In der Kleiderordnung des Mittelalters bekam jeder sichtbar seinen Platz zugewiesen. Wer sich nicht daran hielt, musste mit Strafe rechnen", sagt Rotraud Kahle. Dass müssen die Teilnehmer des Hansetages 2012 immerhin nicht mehr befürchten.

Der VHS-Kurs unter Leitung von Susanne Kebbel und Rotraud Kahle nimmt noch Teilnehmer auf. Kontakt zu Susanne Kebbel unter Telefon 04131/854 209.