Reifeprüfung nach zwölf Jahren lässt kaum Zeit für Hobbys, sagen die Kritiker. Althusmann verteidigt Pläne des Kultusministeriums.

Lüneburg. Genau 608 751 Unterschriften sind nötig, damit der Niedersächsische Landtag über den Gesetzentwurf des "Volksbegehrens für gute Schulen" entscheidet. Wenn tatsächlich zehn Prozent der Niedersachsen für den Gesetzentwurf unterschreiben, könnte die Regelschulzeit an Gymnasien in Niedersachsen wieder auf dreizehn Jahre angehoben werden. Außerdem soll die Gründung von Gesamtschulen durch vier statt fünf Klassen pro Jahrgang erleichtert werden und volle Halbtagsschulen erhalten bleiben.

Allerdings sind bis zum 15. März nur 340 gültige Stimmen aus Lüneburg beim Landeswahlleiter eingegangen. Jetzt setzen sich die Jungen Sozialdemokraten (Jusos) für das aus einer Elterninitiative entstandene Volksbegehren ein, sammeln am Sonnabend in der Bäckerstraße Unterschriften.

"Lüneburg muss sich da mit einbringen, um den Schülerinnen und Schülern im Kreis wieder einer bessere Bildung bieten zu können", sagt die Juso-Vorsitzende Eva Köhler. Sie kritisiert das sogenannte "Turbo-Abitur" nach zwölf Schuljahren: "Wir machen Kinder zu Erwerbstätigen. Es kann nicht sein, dass Kinder und Jugendliche keine Zeit mehr fürs Freibad haben, weil sie nur noch für die Schule lernen müssen."

Auch der Stadtelternrat engagiert sich für das Volksbegehren. Der Vorsitzende Thorsten Henze sieht die Breite des Wissens durch die Komprimierung auf zwölf Jahre gefährdet. Er glaubt aber auch, dass Jugendliche nach zwölf Jahren noch nicht reif für das Berufsleben sind. "Wenn eine Siebzehnjährige das Abitur und damit die allgemeine Hochschulreife erlangt, ist sie doch noch ein halbes Kind", sagt Henze. Im Durchschnitt seien die Kinder zwischen acht und neun Stunden in der Schule, dazu kämen noch Hausaufgaben. Darum sammelt auch der Stadtelternrat unabhängig von den Jusos Unterschriften für das Volksbegehren.

Leyla Krause ist stellvertretende Stadtschülerratssprecherin und macht selbst das Abitur nach zwölf Jahren. "Ich habe eine 40-Stunden-Woche und jeder hat mindestens einmal pro Woche zehn Stunden", sagt sie. Die 17 Jahre alte Herderschülerin ist mit der Situation unzufrieden, engagierte sich darum auch bei den Schulstreiks im letzten Jahr. Für Hobbys hätten sie und ihre Mitschüler kaum noch Zeit. "Viele müssen auch ein Jahr wiederholen oder suchen sich Alternativen wie ein Fachgymnasium", weiß Krause. Auf den Fachgymnasien gelten noch immer 13 Jahre Regelschulzeit.

Niedersachsens Staatssekretär im Kultusministerium, Bernd Althusmann, hält das Volksbegehren für nicht zielgerichtet. Dreizehn Schuljahre würden den Schulalltag nicht wesentlich entspannen. Außerdem sei die Verkürzung um ein Jahr notwendig und sinnvoll, um im Wettbewerb mit den Europäischen Nachbarländern bestehen zu können. "Auch in Finnland, dem Gewinner der Pisa-Studie, erlangen die Schüler die Hochschulreife nach zwölf Jahren", sagt Althusmann. Besonders mit Blick auf die Vereinheitlichung der Schulsysteme sei die Verkürzung auf zwölf Schuljahre wichtig.

"Allerdings darf es nicht passieren, dass die Qualität des Abiturs sinkt", betont der Staatssekretär. Darum wären die notwendigen Pflichtstunden anders auf die acht Jahre verteilt und begleitende Maßnahmen wie Zusatzunterricht vorbereitet.

Wenn das Volksbegehren tatsächlich in den Landtag eingebracht wird, wäre es seit Änderung der Niedersächsischen Verfassung 1994 erst das zweite nach der Änderung des Kindertagesstättengesetzes. Sechs schafften es nicht, die benötigten Unterschriften von zehn Prozent der Wahlberechtigten Niedersachsen zu erlangen. Die Initiatoren müssen sich anstrengen: Am 15. März waren erst 47 211 der 608 751 benötigten Unterschriften beim Landeswahlleiter eingegangen.